Die Bruderschaft Christi
Hunger, denn das Mittagessen hatte sie glatt verschlafen. Gleich nachdem sie aufgestanden war, hatte sie sich mit dem beinahe eintausend Seiten umfassenden Manuskript beschäftigt. Das Licht brannte, denn obwohl es erst später Nachmittag war, lag über dem Vorort von Paris ein dunkler Wolkenschleier, aus dem es ergiebig regnete.
»Ich denke, es wird nie jemand zu Gesicht bekommen«, antwortete Jean. »Er beschäftigt sich schon seit Jahren damit, aber er kann einfach kein Ende finden.«
Yaara blätterte weiter. »Weil ihm das letzte Mosaiksteinchen noch fehlt. Das Vermächtnis Gottes.«
»Und du meinst, wir haben es gefunden?«
»Wir werden sehen«, antwortete Yaara und griff nach ihrem Handy.
»Komisch, dass sich Tom noch nicht gemeldet hat«, murmelte sie.
»Er wird beschäftigt sein. Glaubst du, sie finden Raful?«
»Mal sehen«, antwortete Yaara und wählte Toms Nummer an. Es dauerte eine Weile, bis das Besetztzeichen erklang.
»Entweder er telefoniert gerade oder er ist nicht erreichbar. Ich werde es später noch einmal versuchen.«
Jean griff nach seiner Tasse Kaffee. »Schade, ich hätte dir gerne Paris gezeigt, aber bei diesem Wetter ist das wohl keine so gute Idee.«
»Non nobis Domine, non nobis, sed nomini tuo da gloriam«, zitierte Yaara aus dem Manuskript. Sie hatte Jeans Bemerkung vor lauter Eifer überhört.
»Der Spruch der Templer«, antwortete Jean. »Nicht uns, o Herr, nicht uns, sondern deinem Namen gib die Ehre.«
»Du kennst das Motto der Templer. Ich dachte, das ist nicht dein Fachgebiet?«
»Aus dem Studium ist doch wohl noch ein wenig hängen geblieben«, gab Jean zurück. »Willst du noch ein Stück Torte?«
Yaara legte das geheftete Manuskript zur Seite und schaute aus dem Fenster. »Wolltest du mir nicht Paris zeigen?«
»Wirklich?«
»Auch wenn es regnet, ich weiß nicht, ob ich jemals noch einmal in die Stadt komme.«
Jean lächelte. »Dann nichts wie los. Du hast eine Jacke mit Kapuze?«
Yaara erhob sich. »Ich habe sogar einen Regenschirm.«
Salzburg, Sicherheitsdirektion Tirol, Österreich …
Stefan Bukowski legte die Akte auf den Schreibtisch des Kollegen vom österreichischen Sicherheitsbüro. Inspektor Hagner war ein großer Mann mit buschigen Augenbrauen und dichten schwarzen Haaren. Er wies Bukowski einen Stuhl zu und fragte, ob er einen Kaffee wolle. Bukowski sagte nicht nein.
»Ich habe die Firma bereits überprüfen lassen«, eröffnete der Inspektor das Gespräch. »Karadic ist aus dem ehemaligen Jugoslawien eingereist und lebt schon seit über dreißig Jahren hier in Österreich. Er ist mittlerweile eingebürgert und hat eine komplett weiße Weste. Er hat zwei Helikopter angemeldet. Eine BK 117 und eben diesen AW 139. Er beschäftigt insgesamt vier Mitarbeiter, zwei Piloten darunter. Er hat eine Österreicherin geheiratet und zwei Kinder. Seine Fluglizenz ist immer noch gültig, und er zahlt rechtzeitig seine Steuern. Er hat ein Alibi für die Nacht und war in Innsbruck bei einer Familienfeier, die bis in den nächsten Tag dauerte.«
»Er muss die Maschine nicht selbst geflogen haben, aber die Luftüberwachung hat seine Maschine zweifelsfrei identifiziert.«
Hagner lächelte. »Das glaube ich gerne, deswegen haben wir uns seine beiden Piloten vorgenommen. Der eine dürfte allerdings nicht in Frage kommen, er liegt seit zwei Wochen mit einem komplizierten Beinbruch in einer Klinik in Kufstein. Der andere, ein gewisser Peter Brettschneider, wohnt auf dem Betriebsgelände. Er hat in letzter Zeit ein paar Probleme. Seine Frau hat sich von ihm getrennt und presst ihn aus wie eine Zitrone. Er hat zwei kleine Kinder und zahlt ganz schön heftig Unterhalt.«
Bukowski verzog den Mundwinkel. »Das klingt schon eher nach unserem Mann.«
»Das dachten wir auch, deswegen wird er überwacht. Ich denke, Sie wollen so schnell wie möglich mit ihm reden.«
Bukowski nickte.
»Er ist auf dem Gelände und wartet die beiden Hubschrauber. Es ist für heute kein Flug geplant, deswegen bin ich mir sicher, dass wir ihn dort antreffen werden.«
Der Inspektor erhob sich. »Also dann, verlieren wir keine Zeit. Herr Karadic erwartet uns. Wir haben mit ihm gesprochen. Auch er hält es für möglich, dass dieser Peter Brettschneider in Frage kommt, er ist offenbar in letzter Zeit sehr unzuverlässig, und Karadic trägt sich mit dem Gedanken, das Arbeitsverhältnis zu beenden.«
»Sie haben ordentlich vorgearbeitet«, lobte Bukowski den Inspektor.
»Wir tun, was
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