Die Bruderschaft Christi
einen von uns erschießen.«
»Lass sie herein!«, krächzte eine brüchige Stimme, die aus der Hütte kam.
»Aber zuerst gebt ihr mir eure Waffen«, forderte die dunkle Stimme. »Und bei einer falschen Bewegung drücke ich ab! Verstanden?«
»Wir haben keine Waffen, es war ein Bluff«, erwiderte Tom.
»Ich sollte euch den Hals umdrehen«, fluchte der Mann. »Eure Waffen, sonst schieße ich.«
»Hans, lass sie!«, ertönte die brüchige Stimme erneut.
Schließlich wurde eine Lampe im Haus entzündet. Warmes, gelbes Licht erstrahlte aus einer Öllampe, und im Eingangsbereich der Hütte zeichneten sich die Umrisse eines Mannes ab, der in einem Rollstuhl saß.
Langsam stiegen Tom und Moshav die Treppe hinauf. Noch immer fixiert vom Strahl der Taschenlampe. Und, es war ihnen klar, die Waffe war noch immer auf sie gerichtet.
»Stehen bleiben!«
Tom hielt inne, und auch Moshav verharrte.
Das faltige Gesicht des alten Mannes im Rollstuhl, umrahmt von langen grauen Haaren, die zersaust und ungekämmt erschienen, wurde im zunehmenden Licht immer deutlicher.
»Sie sind Professor Jungblut, Chaim Rafuls Freund«, sagte Tom.
»Und Sie sind Tom Stein«, antwortete der Alte. »Ich kenne Sie. Sie waren vor ein paar Jahren in Ägypten bei Ausgrabungen in der Nähe von Assjut dabei. Damals war Jonathan Hawke ebenfalls der Grabungsleiter. Ich war für ein paar Tage dort, damals brauchte ich noch keinen Rollstuhl.«
Tom überlegte. Er konnte sich noch gut an die Ausgrabung in Assjut erinnern, doch an die Anwesenheit des Professors erinnerte er sich nicht.
Der alte Mann fuhr mit dem Rollstuhl ein Stück zur Seite. »Kommen Sie herein!«
»Wir waren an Ihrem Haus. Dort ist eingebrochen worden.«
»Ich weiß«, antwortete der Professor. »Seit einigen Tagen verberge ich mich schon hier in diesem Wald. Seit der alte Chaim bei mir aufgetaucht ist, scheint die Welt so langsam aus den Fugen zu geraten. Wenn ich den guten Hans nicht hätte, dann wäre ich wohl längst schon tot.«
»Sie haben von dem Mord am Watzmann gehört?«, fragte Moshav.
Der Alte nickte stumm und blickte mit traurigen Augen zu Boden. »Chaim, nehme ich an. Sie haben ihn erwischt.«
»Warum sind Sie nicht zur Polizei gegangen?«, fragte Tom verwundert.
»Hören Sie, ich bin Jude«, antwortete der alte Mann im Rollstuhl. »Ich lebe zwar schon über dreißig Jahre in diesem Land, aber ich traue den Behörden nicht. Die Vergangenheit lässt sich nicht einfach wegwischen. Außerdem wissen wir nicht sicher, ob es sich bei dem Mordopfer um Chaim Raful handelt. Er wollte sich in der Schweiz mit einem Journalisten treffen, seither ist er verschwunden und hat sich nicht mehr gemeldet. Ich musste ihm bei meiner Seele versprechen, dass ich schweige. Obwohl ich beinahe platze, seit ich weiß, was das Grab des Templers enthielt.«
»Es ist das Vermächtnis Gottes, wenn ich mich nicht irre.«
Der alte Mann schaute Tom mit großen Augen an. »Es ist viel mehr als das. Es ist so explosiv, dass selbst eine Atombombe die Sprengkraft dieser Dokumente nicht zu übertreffen vermag.«
»Ist euch jemand gefolgt?«, fragte Steinmeier und schloss die Tür.
Tom zuckte mit der Schulter. »Wir sind alleine. Nur eine Bekannte von mir weiß, dass wir hier sind.«
»Ist sie hier in der Nähe?«
Tom schüttelte den Kopf. »Sie ist in Paris. In Sicherheit.«
München, Bayrisches Landeskriminalamt, Dez. 63 …
Lisa hatte inzwischen zwei Kopfschmerztabletten eingenommen und sich die Schläfen mit Kölnischwasser eingerieben. Ein altes Hausmittel, das sie von ihrer Großmutter kannte. Tatsächlich wurde es ein klein wenig besser.
Nachdem Bukowski nach Österreich gefahren war, hatte sie sich zusammengerissen, war geblieben und hatte die Akten der Vermisstenfälle weiter bearbeitet. Bislang waren ihre Nachforschungen ergebnislos geblieben.
Es war kurz nach sechs Uhr, und draußen über München schien die wärmende Abendsonne. Nur hier und da ließen sich ein paar weiße Wolken am Himmel blicken. Sie hatte gehofft, dass Bukowski rechtzeitig zurückkehrte, doch bislang war er noch nicht wieder aus Salzburg zurückgekommen. Sie klappte den Aktendeckel zu und erhob sich. Morgen würde sie sich weiter um die Akten kümmern. Als sie nach ihrer leichten Sommerjacke griff, die sie über den Stuhl gehängt hatte, klopfte es an ihrer Tür. »Ja«, rief sie.
Ein uniformierter Kollege betrat das Zimmer. »Sie wollten informiert werden, wenn sich in der Nähe von Berchtesgaden
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