Die Bruderschaft Christi
sich überlegen, ob Sie bei Ihrer Aussage bleiben.«
»Ich schwöre, ich war das nicht«, wiederholte Brettschneider noch einmal. In seiner Stimme klang Verzweiflung.
Bukowski hatte sich unterdessen wieder dem Fenster zugewandt und beobachtete den Mechaniker, der nach wie vor am Hubschrauber stand und ab und an verstohlene Blicke in Richtung des Hubschrauberhangars richtete.
»Und wie steht es mit dem Mechaniker da draußen, kann er fliegen?«, fragte Bukowski in die Stille.
»Luigi, aber er hat überhaupt keine Lizenz«, sagte Karadic.
»Das war nicht meine Frage«, entgegnete Bukowski. »Ist er in der Lage zu fliegen?«
Brettschneider wandte sich um. »Luigi kann es, er ist ein paar Mal bei mir mitgeflogen. Ich ließ ihn steuern.«
»Luigi Calabrese«, las Hagner aus einem Aktenordner vor, den er sich von einem der Zivilbeamten reichen ließ. »Er ist Anfang vierzig, alleinstehend und wohnt hier im Haus.«
»Er ist quasi Mechaniker, Hausmeister und Gärtner«, erklärte Karadic.
Bukowski erhob sich. »Ich möchte mit ihm sprechen.«
»Soll ich ihn holen?«, fragte Karadic.
Bukowski schüttelte den Kopf. »Geben Sie mir zehn Minuten«, sagte er zu Hagner.
44
Bischofswiesen, Berchtesgadener Land …
Langsam senkte sich der Abend über das Land. Tom hatte sich auf dem Fahrersitz niedergelassen und lauschte der sanften Musik aus dem Radio. Moshav döste. Bislang hatte sich nichts getan, Steinmeiers Haus erstrahlte rötlich in der untergehenden Sonne, der Wagen stand nach wie vor auf der Straße.
Tom dachte nach. Vor wenigen Minuten hatte er das Telefonat mit Yaara beendet. Sie hatte ihm erzählt, was sie inzwischen in Erfahrung gebracht hatte. Das Vermächtnis Gottes habe im Grab des Tempelritters gelegen, hatte sie berichtet. Ein Geheimnis, das nicht nur der katholischen Kirche gefährlich werden konnte, sondern jeglicher Religion, die Jesus Christus als Sohn Gottes verehrte.
Was beinhalteten diese Schriften, die beinahe tausend Jahre lang, eingeschlossen in Gefäßen aus Ton, in einem Grab mitten im Heiligen Land auf ihre Entdeckung gewartet hatten? Eines war Tom jetzt schon klar: An diesen Schriften klebte Blut. Das Blut von Gina, das Blut von Professor Jonathan Hawke und vielleicht auch das Blut von Professor Chaim Raful, wenn Jungblut noch am Leben war. Und wer weiß, wessen Blut noch wegen dieser Schriften über all die Zeiten vergossen worden war – oder noch vergossen wurde.
Tausend Jahre waren die Schriften im Sarg des Tempelrittes beerdigt gewesen, dennoch gab es Menschen, die sie nicht vergessen hatten, die nach wie vor versuchten, hinter das Geheimnis dieser Schriftrollen zu kommen.
Tom wusste, dass sie vorsichtig sein mussten. Er hatte Yaara noch einmal eindringlich gewarnt, mit niemandem über all die Vorfälle zu reden. Er bat sie, sich mit Jean in die kleine Pension zurückzuziehen, sich den Schriften Molières zu widmen und darin nach Hinweisen zu suchen, die möglicherweise hilfreich für die weiteren Ermittlungen sein könnten. Nachdem Yaara vorgeschlagen hatte, gleich am nächsten Morgen mit Jean nach München zu kommen, hatte Tom vehement widersprochen. Er fühlte sich einfach besser, wenn er wusste, dass sich Yaara in Paris in Sicherheit befand. Über das Telefon hatte er Jean aufgetragen, gut auf sein Mädchen aufzupassen. Obwohl seine Gedanken in den letzten Tagen oft genug um Raful gekreist waren, so war doch hin und wieder Yaaras Gesicht in seinem Geiste aufgetaucht. Und er wusste umso mehr, dass er diese Frau liebte und sie nie wieder missen wollte. Doch erst wenn er Raful oder Jungblut gefunden hätte und diese Schriften veröffentlicht wären, erst dann wären sie wieder in Sicherheit. Und dann würde er Yaara fragen, ob sie ihn heiraten wolle. Mit Yaara könnte er die Ruhe finden, um eine Familie gründen zu können. Mit seiner Ausbildung würde er auch einen Job finden, damit er nicht länger durch die Welt reisen musste, sondern sich irgendwo, vielleicht sogar in Israel, ein Nest bauen konnte.
Während Tom verträumt an den Dachhimmel des Leihwagens blickte, fuhr draußen ein Wagen vorbei.
»An wen denkst du, bestimmt an Yaara«, riss ihn Moshavs Stimme aus den Gedanken.
Tom zuckte zusammen. »Woher weißt du …?«
Moshav wies durch die Heckscheibe. »Weil dir sogar entgeht, dass Steinmeier gerade eben an uns vorbeigefahren ist«, antwortete Moshav. »Nun gib schon Gas, bevor wir ihn verlieren!«
Scheffau am Wilden Kaiser, Österreich
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