Die Bruderschaft Christi
Christi. Aber machen Sie es nicht noch schlimmer, als es jetzt bereits schon ist. Unsere Kirche befindet sich in ernsthafter Gefahr.«
Pater Leonardo ging zurück zu seinem Stuhl und ließ sich darauf nieder.
»Dies sind die dunkelsten Stunden, die unsere Kirche seit Jahrhunderten durchlebt«, seufzte der Kardinalpräfekt. »Ich befürchte, noch nie in den letzten eintausend Jahren stand unsere Mutter Kirche so nahe am Abgrund.«
»Weiß der Papst …?«
»Der Papst ist alt und gebrechlich«, antwortete der Präfekt. »Wir alle wissen, wie es um ihn steht. Nein, wir sind auf uns selbst angewiesen. Niemand kann uns helfen.«
»Erzählen Sie mir von der Bruderschaft«, entgegnete Pater Leonardo.
Der Präfekt starrte an die Decke. »Die Tradition der Bruderschaft reicht bis in die Jahre der Tempelritter zurück«, begann der Kardinalpräfekt zu erzählen. »Sie hat es sich zur Aufgabe gemacht, den Glauben zu schützen. Und dazu ist ihr jedes Mittel recht.«
»Gehören Sie dieser Bruderschaft an?«
»Gott behüte!«, wehrte der Präfekt ab. »Ich bin ein Mann Gottes, meine Kraft schöpfe ich aus meinem Glauben, und ich bin der absoluten Überzeugung, dass es nur eine Kirche geben darf. Eine Kirche, die stark und gütig zugleich ist. Die verirrte Schafe alleine durch die Macht des Wortes bekehrt und nicht mit sinnloser Gewalt.«
»Kardinal Borghese«, sagte Pater Leonardo. »Ist er ein Mitglied dieser Bruderschaft Christi?«
Der Präfekt nickte. »Ich befürchte es. Ich befürchte, dass Blut an seinen Händen klebt.«
»Was hat es mit dieser Bruderschaft auf sich, weswegen muss es über unsere Mutter Kirche hinaus eine Verbindung geben, die den Glauben schützt? Ist die Kirche selbst dazu nicht in der Lage?«
Der Präfekt richtete sich auf. »Die Tempelritter hatten unter dem Tempel Salomons Schriftrollen entdeckt, die die Existenz von Jesus Christus ernsthaft in Zweifel ziehen. Diese Schriften gaben ihnen die Macht, aus einem Haufen Glücksritter einen mächtigen Orden zu machen, dem sogar der Papst huldigen musste. Es gibt keine Beweise dafür, doch es gibt Gerüchte. Aber das Faustpfand, das sie in ihren Händen hielten und das ihnen zu Einfluss und Reichtum verhalf, geriet nach der Eroberung Jerusalems durch die Sarazenen außer Reichweite. Dies war die Chance, der Herrschaft der Templer ein für alle Mal ein Ende zu setzen. So kam es zu dem Schwarzen Freitag, an dem der Templerorden ausgelöscht wurde.«
»Und Chaim Raful war auf der Suche nach diesen Dokumenten, und er fand sie, als man das Grab des Tempelritters im Kidrontal öffnete«, fuhr Pater Leonardo fort.
»So muss es gewesen sein.«
»Wer verbirgt sich hinter dieser Bruderschaft?«
Der Präfekt zuckte mit der Schulter. »Einige der Mitglieder waren Männer des Glaubens, Kirchenbrüder, so wie wir es sind. Die übrigen hatten von der Kirche profitiert. Geschäftsleute, die unser Glaube reich gemacht hatte. Sie hatten kein Interesse daran, dass das Volk von der Existenz der Schriftrollen erfährt.«
»Und diese Bruderschaft hat tatsächlich die Jahrhunderte überdauert?«
Der Präfekt nickte. »Vom Vater zum Sohn, in der Familie, in der Tradition lag ihre Wurzel. Der gemeinsame Wille, festgeschrieben im Schwur des Blutes, überdauerte selbst die Jahrhunderte.«
»Diese Dokumente, das Vermächtnis der Templer. Ist das wahr? Ist Jesus eine Erfindung?«
Der Präfekt schlug die Hände vor die Augen. »Es ist eine Überlieferung aus der Zeit, als Rom Judäa beherrschte. Eine Wahrheit oder eine Lüge. Niemand vermag zu sagen, was die Menschen der damaligen Zeit als wahr oder als unwahr empfanden. In unserem Glauben liegt unsere Stärke.«
Pater Leonardo überlegte. »Diese Schriftrollen sind hier in Europa, in Bayern. Und sie werden die Menschen zumindest zum Nachdenken bringen. Diejenigen, die unsere Kirche in Zweifel stellen, werden ihr den Rücken zukehren.«
»Es ist eine Katastrophe«, wimmerte der Präfekt.
»Jesus, Gott, alles Lüge?« Pater Leonardo erhob sich. Er trat an das Fenster und blickte hinaus in die Morgensonne, die Rom in ein gleißendes Licht tauchte.
»Werden Sie mir helfen?«, fragte der Kardinalpräfekt.
Pater Leonardo atmete tief ein. Schließlich wandte er sich dem Präfekten zu. »Ich will freie Hand. Außerdem brauche ich Geld. Ein Konto. Sehr viel Geld sogar. Und ich tue es auf meine Weise. Es ist nicht mehr an der Zeit, Andersgläubige zu ermorden. Unsere Gesellschaft hat sich verändert.«
»Geld, das Konto«,
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