Die Bruderschaft Christi
zusammen mit einem weiteren Bruder das Zimmer.
»Entschuldigen Sie, Eure Eminenz«, sagte der Mönch unterwürfig. »Aber er ist einfach an mir vorbeigegangen. Sollen wir ihn entfernen lassen?«
Der Kardinalpräfekt hob beschwichtigend die Hände. »Schon gut, lassen Sie uns alleine«, antwortete er.
Die beiden Mönche verschwanden.
»Nehmen Sie Platz, mein ungestümer Freund«, sagte der Präfekt salbungsvoll. Seine Stimme klang plötzlich sanft und weich, wie ein Vater, der mit seinem Sohn ein Gespräch führte. Doch Pater Leonardo misstraute dem Ton, und er misstraute dem Präfekten, denn schließlich hatte er ihn wissentlich auf eine Mission gesandt, die von Anfang an zum Scheitern verurteilt gewesen war.
»Sie haben meine Dienste missbraucht«, antwortete Pater Leonardo. »Sie waren in der Bibliothek und haben die Akte über die Bruderschaft Christi entnommen, ohne mir auch nur ein Sterbenswort darüber zu verraten.«
»Ich habe mich lediglich informiert«, wich der Präfekt aus.
»Und in Ettal? Haben Sie dort nur einen Anstandsbesuch gemacht?«
Das sanfte Lächeln im Gesicht des Präfekten entgleiste.
»Nun gut, ich will nicht bestreiten, dass mir die Morde an unseren Glaubensbrüdern in Deutschland Sorge bereiteten. Es war meine Pflicht als Präfekt, mich im Sinne unserer Heiligen Kirche vor Ort zu informieren.«
»Und es wäre Ihre Pflicht gewesen, mich darüber in Kenntnis zu setzen. Schließlich übertrugen Sie mir die Nachforschungen in dieser Sache. Oder haben Sie mich nur auf die lange Reise nach Jerusalem entsandt, um Ihr oder das Gewissen von Kardinal Borghese zu beruhigen?«
Der Kardinalpräfekt lehnte sich in seinem Stuhl zurück. »Sie hatten den Auftrag, Chaim Raful zu finden, aber Sie haben versagt. Aus diesem Grunde musste ich selbst meine Bemühungen auf diese Sache konzentrieren.«
»Ich habe ihn gefunden«, antwortete Pater Leonardo.
Der Präfekt schaute ihn ungläubig an.
»Er wurde kopfüber gekreuzigt. Am Königssee, aber davon wissen Sie sicherlich schon.«
Der Präfekt räusperte sich. »Ich hörte von dem Mord am Fuße des Watzmanns. Aber ich wusste nicht, dass es sich um den Ketzer handelt.«
»Ich glaube, Sie wissen mehr als Sie zugeben wollen. Was hat es mit dieser Bruderschaft auf sich? Und warum mussten zwei unserer Glaubensbrüder auf grausame Art und Weise sterben? Hatten sie unsere Kirche verraten? Soviel ich hörte, waren beide der altertümlichen Sprachen des Orients mächtig. Mussten sie sterben, weil sie ein Geheimnis entdeckt haben, das nicht an die Öffentlichkeit geraten durfte? Haben Sie am Ende sogar diese Männer umbringen lassen?«
Die Zornesröte stieg langsam im Gesicht des Präfekten auf. »Was erlauben Sie sich?«, raunte er Pater Leonardo an.
»Ich denke, die Polizei wird sich sehr dafür interessieren, wie weit unsere Kirche in die Mordfälle verstrickt ist. Vielleicht ist mir der Ermittler der deutschen Polizei für ein paar Hinweise dankbar. Die Welt ist mittlerweile zusammengewachsen, bestimmt würden auch die italienischen Behörden …«
»Sie kennen die Regeln?«
»Wieso sollte ich mich an Regeln halten, wenn es der Präfekt selbst nicht für notwendig erachtet? Ich habe nichts zu verlieren. Ich wollte nie hier in Rom arbeiten, ich wollte diese Aufgabe hier im Sanctum Officium nie übernehmen. Also, was sollte ich fürchten?«
Der Präfekt erhob sich. »Sie impertinenter Mensch, Sie wissen überhaupt nicht, was hier gespielt wird«, fuhr er Pater Leonardo an.
»Ich weiß aber, dass es sich hier um ein Komplott handelt, und ich weiß, dass Sie mitten in diesem Komplott stecken. Und ich weiß überdies, dass sechs Menschen inzwischen ihr Leben verloren haben. Und ich weiß auch, dass sich die Polizei sehr dafür interessieren wird.«
Pater Leonardo sprang auf und eilte zur Tür.
»Warten Sie!«, rief ihm der Präfekt nach.
Pater Leonardo umfasste die Türklinke und öffnete.
»Um Gottes willen, warten Sie!«
Pater Leonardo wandte sich um. »Um mir weitere Lügengeschichten aus Ihrem Mund anzuhören, Eure Eminenz?«
»In Gottes Namen, bitte, ich bitte Sie, Pater. Geben Sie mir und der Mutter Kirche noch eine Chance.«
Pater Leonardo schloss die Tür. »Ich will die Wahrheit, nichts als die Wahrheit. Schwören Sie es, beim Blute Christi!«
Der Präfekt seufzte. Er ließ sich in seinen Sessel fallen und wischte sich die grauen Haare aus der Stirn.
»Ich werde Ihnen alles erzählen, was ich weiß. Ich schwöre es, beim Blute
Weitere Kostenlose Bücher