Die Bruderschaft Christi
wird.«
Pater Leonardo zog sich einen Stuhl heran und ließ sich nieder. »Hat Raful die Schriften bereits übersetzt?«
Tom zuckte mit den Schultern. »Warum sind Sie hier, wollen Sie mich ebenfalls umbringen lassen?«
»Sie verstehen überhaupt nichts«, antwortete Pater Leonardo. »Ich bin aus Rom, aber ich habe mit den Dingen, die geschehen sind, überhaupt nichts zu tun. Ich bin Mitglied der Glaubenskongregation, ich bin sogar der Sekretär des Kardinalpräfekten, aber ich bin kein Mörder. Heute gibt es andere Mittel und Wege, die Zeiten haben sich geändert. Man bringt niemanden mehr um, man stiftet einfach nur Verwirrung. Aber warum erzähle ich Ihnen das! Die Menschen, als Krone der Schöpfung Gottes, sollten die Gebote achten, die ihnen der Herr gegeben hat.«
Tom beobachtete den Kirchenmann argwöhnisch, versuchte hinter sein Gesicht zu schauen. Was hatte er vor, weshalb war er hier?
»Biologisch gesehen mag der Mensch wohl die Krone der Schöpfung sein, gemessen an seinen Taten ist er der Geringste unter den Lebewesen, geringer noch als die Parasiten, denn sie nehmen sich nur, was sie zum Leben brauchen. Doch der Mensch kennt nur Hass und Gier.«
Ein Lächeln huschte über das Gesicht des Paters. »Sie haben ein schlechtes Bild von den Menschen. Und Sie haben ein schlechtes Bild von der Kirche.«
»Wir alle kennen die Geschichte. Die Kirche wurde mit Blut und Tränen Unschuldiger errichtet.«
»Jesus starb für uns Menschen. Er starb einen grausamen Tod«, konterte Pater Leonardo.
»Jesus starb für sich selbst und für seine eigenen Ideen«, entgegnete Tom.
»Hat Ihnen das Raful gesagt? Oder sein Waffenbruder Jungblut?«
»Sagen wir, es sind archäologische Fakten.«
Pater Leonardo verstand. Offenbar wusste der Mann, der ihm gegenübersaß, was in den Schriften der Templer geschrieben stand. Raful hatte bereits mit seinen Arbeiten begonnen, als man ihn umbrachte. Er atmete tief ein. »Einmal angenommen, Jesus von Nazareth war nicht der Sohn Gottes. Er war ein normaler Mensch, der durch den Sturm der Gezeiten in den Mittelpunkt der Geschichte gespült wurde, und Sie halten einen absoluten Beweis dafür in Ihrer Hand. Wie viele Hoffnungen wären Sie bereit zu zerstören? Wie viel Enttäuschung, Trauer und Leid sind Sie bereit, den Menschen zuzumuten?«
Tom schaute zur Decke. Hatte nicht der alte Professor ähnliche Worte gesprochen? Wie wäre eine Welt ohne Glauben an Gott? Tom konnte es sich nicht vorstellen.
»Und was ist mit der Wahrheit? Steht die Kirche nicht dafür ein?«
»Jede Wahrheit hat ihre Zeit. Schauen Sie hinaus in die Welt. Diese Menschheit ist noch lange nicht reif für die Wahrheit.«
Tom nickte. »Wir wurden gejagt, einige von uns wurden ermordet. Schauen Sie sich das Blutbad an, das diese Verbrecher angerichtet haben. Wir werden nicht sicher sein. Solange diese Schriften nicht veröffentlicht wurden und in Sicherheit sind.«
»Sie werden bald in Sicherheit sein, und niemand wird sich mehr für Sie und Ihre Freunde interessieren, darauf gebe ich Ihnen mein Wort. Ich bitte Sie demütig, denken Sie über meine Worte nach«, sagte Pater Leonardo, ehe er an der Tür klopfte, damit man ihm öffnete.
Tom seufzte. »Kann ich Ihnen wirklich trauen?«
»Ich wünsche Ihnen Gottes Segen auf Ihrem Weg«, sagte der Pater zum Abschied.
München, Bayrisches Landekriminalamt, Dez. 63 …
»Das ist doch wohl nicht möglich«, polterte Bukowski und schlug mit der Faust auf seinen Schreibtisch, so dass Lisa erschrocken zusammenfuhr.
»Was ist denn in dich gefahren?«, fuhr ihn Lisa an. »Bist du verrückt geworden?«
Bukowski legte wütend den Telefonhörer auf. »Das war die Staatsanwaltschaft. Wir müssen diesen Thomas Stein sofort auf freien Fuß setzen.«
Lisa blickte verdutzt. »Aber was ist mit Verdunklungsgefahr?«
»Thomas Stein hat den besten Anwalt der Stadt mit der Vertretung beauftragt. Der Staatsanwalt zieht seinen Schwanz ein. Es ist ein Freund, ein Kollege von Stein aufgetaucht. Ein gewisser Jean Colombare aus Paris, der zusammen mit Stein bei der Ausgrabung war. Er bestätigt, dass die beiden lediglich auf der Suche nach diesem Professor Raful waren. Unsere Spurensicherung wird den Ablauf des Überfalls nicht mehr rekonstruieren können, und es ist nicht zu erwarten, dass der zweite Festgenommene sich an den Abend erinnert. Er leidet unter einer temporären Amnesie, hervorgerufen durch die schwere Gehirnerschütterung.«
»Aber da ist doch noch die
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