Die Bruderschaft Christi
kein Problem sein, die Arbeiten dort fortzuführen. Vielleicht war dieser Unfall sogar ein Wink des Schicksals.«
»Mein guter Borghese, wenn ich Sie so reden höre, dann könnte ich fast annehmen, dass Ihnen der Unfall ganz gelegen kam. Bedenken Sie, es kamen Menschen zu Tode.«
Borgheses Lächeln erstarb. »Es ist schrecklich, dass es so weit kam und erst Blut fließen musste. Aber es geht um die Geschichte unseres Herrn. Ich denke, es ist nur recht und billig, dass wir an den Ausgrabungen teilhaben. Der Heilige Stuhl sollte nicht Zaungast sein, wenn sich andere mit der Geschichte von Jesus Christus, dem Erlöser der Menschen, beschäftigen.«
Der Kardinalpräfekt kniete sich nieder. »Das Weitere wird sich finden, Bruder in Christo. Nun wollen wir in Andacht die Güte unseres Herrn preisen. Ich bin überzeugt, Pater Leonardo wird unsere Interessen in Jerusalem würdig vertreten. Er ist nicht alleine. Auf Bruder Phillipo und die Franziskaner ist Verlass. Und dieser Professor kann sich nicht ewig verstecken. Er wird irgendwann auftauchen und seine abstrusen Theorien verbreiten, doch ihm wird es nicht anders ergehen, als es auch manchmal unsereinem ergeht.«
Der Kardinal schaute den Präfekten verwundert an. »Was meinen Sie damit, Ehrwürden?«
Der Kardinalpräfekt lächelte, ehe er seine Hände zum Gebet faltete. »Man wird nicht auf ihn hören«, antwortete er lakonisch.
Jerusalem, Reich-Hotel in Beit HaKerem …
Tom schaute aus dem Fenster seines Hotelzimmers auf die ruhige Straße, die am Hotel vorbei in das Zentrum der Stadt führte. Das Reich-Hotel lag etwa zehn Kilometer von der Altstadt entfernt in einem ruhigen Vorort Jerusalems. Nachdem die Polizisten das Ausgrabungsgelände verlassen hatten, waren Tom und die anderen mit dem Geländewagen ins Hotel gefahren, in dem für sie auf der dritten Etage fünf Zimmer angemietet worden waren. Die Zimmer waren klein, aber gemütlich eingerichtet.
Tom wandte sich um. Gedankenverloren schaute er auf seine gepackte Reisetasche, die auf dem Bett stand. Sie und seine Werkzeugkiste waren alles, was er mitgenommen hatte. Eines jedoch wusste er, zur Ausgrabungsstätte würde er wohl nicht mehr zurückkehren. Zu viel war geschehen, zu viel Blut war geflossen. Chaim Raful war noch immer spurlos verschwunden, beinahe so, als wäre alles nur ein vager Traum gewesen. Gina und Aaron waren tot, zerfetzt von einer Mine oder ermordet von einem unbekannten Wahnsinnigen. Und nun wurde er mit den anderen im Land festgehalten und als verdächtig eingestuft. Seinen Reisepass hatte er abgeben müssen, und draußen, gegenüber dem Hotel, parkte ein Zivilwagen der Polizei. Er machte sich keine Illusionen. Sein Engagement in Jerusalem war beendet. Wie würde sich seine Beziehung mit Yaara weiterentwickeln? Würde sie ihm folgen, mit ihm gehen und ihre Heimat verlassen?
Er hatte sich unsterblich in die junge dunkelhaarige Frau verliebt, und sie erwiderte seine Liebe, doch jetzt war alles viel komplizierter geworden.
Tom setzte sich auf das Bett und seufzte.
Irgendetwas stimmte hier nicht. Ein Gefühl sagte ihm, dass die Vorfälle auf dem Grabungsfeld kein Zufall gewesen waren. Aber wie sollte er das beweisen?
Steckte die Kirche dahinter? Wollte sie verhindern, dass die Grabung Dinge zu Tage förderte, welche die große Geschichte der Christenheit in Frage stellten und die Existenz Roms gefährdeten? Würde die Kirche sogar dafür töten?
Er atmete tief ein, ehe er den Reißverschluss seiner Tasche öffnete und sich erhob. Nach einer warmen Dusche stand ihm der Sinn. In einer Stunde würde er sich mit den anderen im Restaurant des Hotels zum Abendessen treffen. Er nahm den Kulturbeutel aus der Tasche und begab sich ins Badezimmer. Das warme Wasser tat gut, und Tom schloss die Augen und genoss den Augenblick .
2. Teil
Die S uche nach der W ahrheit
… in der heutigen Zeit
gibt es keinen zweiten Sieger,
es gibt nur Gewinner und Verlierer,
und wer zu spät kommt,
hat praktisch schon verloren …
20
Polizei-Hauptquartier an der Derekh-Shekhem-Straße …
Sicherheit wurde in dieser Stadt groß geschrieben, denn trotz aller Friedensbekundungen herrschte Bürgerkrieg. Drei Kontrollen und eine Leibesvisitation hatten Tom, Yaara und der Rest der Crew bereits hinter sich gebracht, bevor sie den mit einer hohen Mauer, Stacheldraht und Schutztürmen umsäumten Bau an der Derekh-Shekhem-Straße betreten durften. Es war kurz nach acht
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