Die Bruderschaft der Black Dagger
aber es ist nun mal so. Ist schon in Ordnung.
Phury: (Nach einer längeren Pause) Okay … die Auserwählten schlagen sich erstaunlich gut. Alle bis auf fünf haben diese Seite bereits besucht, und was sie hier tun, hängt von ihrer jeweiligen Persönlichkeit und ihren Neigungen ab. Normalerweise haben wir immer zwischen sechs und zehn von ihnen im Haus oben im Norden und … hörst du überhaupt zu?
J. R.: Zwischen sechs und zehn. Persönlichkeit. Neigungen.
Phury: (Steht auf) Komm mit.
J. R.: Wohin?
Phury: (Hält mir die Hand hin) Vertrau mir.
Genauso wie Z - und was das betrifft, auch allen anderen Brüdern - kann man Phury vertrauen. Also gebe ich ihm die Hand, und er zieht mich von der Couch hoch. Ich hoffe, dass er mich nicht wieder zu V bringt, und bin erleichtert, als wir die große Haupttreppe hochgehen. Zu meiner Überraschung nimmt er mich zu seinem alten Schlafzimmer mit. Es riecht nach rotem Rauch, Kaffee und Schokolade.
Phury: (bleibt in der Tür stehen und runzelt die Stirn) Weißt du was … lass uns lieber ins Gästezimmer nebenan gehen.
Sicher hat er es auch gerochen, und ich bin gerne bereit, diesen Auslöser für ihn zu vermeiden. Wir gehen über die Galerie zu dem Zimmer, in dem Cormia gewohnt hat, solange sie hier war. Es ist prachtvoll und wunderschön, wie seines, wie eigentlich alle Zimmer des Anwesens. Darius hatte einen exquisiten Geschmack, kommt es mir in den Sinn, als ich die üppigen, seidenen Vorhange, die Chippendalekommoden und die kostbaren Landschaftsgemälde sehe. Das Bett ist weniger ein Schlafplatz, als viel mehr ein rotseidenes Heiligtum, in dem man versinken möchte.
Phury: (Zieht sein Jackett aus) Setz dich. (Zeigt auf den Boden)
J. R.: (Ich nehme im Schneidersitz Platz) Was hast du vor …
Phury: (Setzt sich mir gegenüber hin und streckt mir die Handflächen entgegen) Gib mir deine Hände und schließ die Augen.
J. R.: (Ich tue, was er sagt) Was hast …
Plötzlich überkommt mich ein Gefühl, als ob ich in ein warmes Bad eintauche - doch dann merke ich, dass tatsächlich ich selbst
flüssig zu werden scheine; ich bin Wasser, und ich fließe ins Leere. Panik steigt in mir auf, und ich fange an …
Phury: (Seine Stimme dringt aus der Ferne zu mir) Lass die Augen zu. Noch nicht aufmachen.
Eine kleine Ewigkeit später fühle ich mich, als würde ich kondensieren, wieder ganz werden … und ein neuer Duft nach Blumen und Sonnenschein dringt in meine Nase. Durch meine geschlossenen Lider dringt diffuses Licht, und mein Gewicht wird von einem weichen Polster absorbiert, das sich ganz anders anfühlt, als der Orientteppich, auf dem ich mich vorher niedergelassen hatte.
Phury: (Entzieht mir seine Hände) Okay, jetzt kannst du sie aufmachen.
Ich öffne die Augen … und bin überwältigt. Ich blinzele, nicht aus Orientierungslosigkeit, sondern eher aufgrund einer zu klaren Orientierung.
Als ich klein war, verbrachte ich meine Sommerferien an einem See in den Adirondacks. Mein Mutter und ich sind immer Ende Juni hochgefahren und dann bis zum Labor Day Anfang September dort geblieben. Mein Vater hat uns an den Wochenenden besucht und ist im August zwei Wochen am Stück geblieben. Diese Sommer waren die glücklichsten meines Lebens, obwohl mir mit zunehmendem Alter klarwird, dass das auch viel mit Nostalgie und der Einfachheit der Kindheit zu tun hat. Trotzdem, aus welchem Grund auch immer, waren die Farben damals bunter, Wassermelonen schmeckten saftiger und süßer, mein Schlaf war tiefer, und niemand starb jemals und nichts veränderte sich.
Schon seit vielen Jahren war ich nicht mehr an diesem besonderen Ort - denn selbst ein Ausflug dorthin hat heute nicht mehr dieselbe heilende Wirkung auf mich. Aber jetzt … bin
ich dort. Ich sitze inmitten einer Wiese aus hohem Gras und Klee, und Schmetterlinge taumeln trunken von Blüte zu Blüte. Das Zwitschern einer Amsel erklingt, als sie auf einen Hain aus Hickorybäumen zufliegt. Und in der Ferne vor mir sehe ich eine rote Hütte mit einem Fahnenmast, vor der lilafarbene Fliederbüsche wachsen. Auf einer Seite parkt ein dunkelgrüner Volvo aus den Achtzigern, und auf der Steinterrasse steht eine Garnitur Korbmöbel. In den Blumenkästen am Fenster pflanzt meine Mutter jedes Jahr Petunien, und in Blumentöpfen auf der Veranda wachsen rote Geranien und blaue Lobelien.
Auf der anderen Seite des Häuschens kann ich den See erkennen. Das Wasser ist tiefblau und glitzert im Sonnenlicht. Weiter draußen liegt Odell
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