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Die Bruderschaft der Nacht: Thriller (German Edition)

Die Bruderschaft der Nacht: Thriller (German Edition)

Titel: Die Bruderschaft der Nacht: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Connolly
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ebenfalls, bis Phineas uns schließlich erzählte, warum er nicht mehr zu seiner Hütte in den Wäldern bei den Rangeley Lakes ging.
    Er war mit Misty, seiner Mischlingshündin, deren Stammbaum so kompliziert war wie der einer königlichen Familie und die sich auch pflichtschuldig wie eine Bastardprinzessin benahm, auf Eichhörnchenjagd gewesen. Phineas hatte keine Verwendung für die Eichhörnchen, die er schoss, er hatte bloß nicht viel für Eichhörnchen übrig. Misty war wie üblich vorausgestürmt, und nach einer Weile konnte Phineas sie weder hören noch sehen. Er pfiff nach ihr, aber sie kehrte nicht zurück, und Misty war trotz ihrer Flausen eine gehorsame Hündin. Deshalb begab sich Phineas auf die Suche nach ihr, marschierte immer tiefer in den Wald und entfernte sich immer weiter von seiner Hütte. Allmählich wurde es dunkel, und er suchte immer noch, denn er wollte sie nicht allein im Wald zurücklassen. Ein ums andere Mal rief er ihren Namen, doch vergebens. Er befürchtete bereits, ein Bär oder Luchs könnte sie gerissen haben, bis er irgendwann meinte, Misty winseln zu hören, und dem Laut folgte, dankbar dafür, dass er auch mit dreiundsiebzig noch ziemlich gute Ohren und Augen hatte.
    Er kam zu einer Lichtung, und dort war Misty, die deutlich zu sehen war, als der Mond am Himmel auftauchte. Sie hatte sich in Dornenranken verfangen, und als sie sich losmachen wollte, hatten sich die Ranken nur noch fester gezogen, so dass sie lediglich leise winseln konnte. Phineas zog sein Messer und schickte sich an, sie zu befreien, als sich rechts von ihm etwas bewegte, worauf er seine Taschenlampe dorthin richtete.
    Ein kleines Mädchen, etwa sechs, sieben Jahre alt, stand am Rande der Lichtung. Sie hatte dunkle Haare und war sehr blass, trug ein schwarzes Kleid aus grobem Stoff und hatte einfache schwarze Schuhe an den Füßen. Sie blinzelte nicht, als sie der grelle Strahl der Taschenlampe erfasste, und hob auch nicht die Hände, um ihre Augen abzuschirmen. Phineas hatte sogar den Eindruck, dass ihr das Licht nicht das Geringste ausmachte; es war, als werde es von ihrer Haut absorbiert, denn sie schien von innen weißlich zu schimmern.
    »Mein Schatz«, sagte Phineas, »was machst du hier draußen?«
    »Ich habe mich verlaufen«, sagte das Mädchen. »Helfen Sie mir.«
    Ihre Stimme klang seltsam, als käme sie aus einer Höhle oder einem hohlen Baumstamm. Sie hatte einen eigenartigen Hall.
    Phineas ging auf sie zu und streifte bereits seinen Mantel ab, um ihn um ihre Schultern zu legen, als er sah, wie Misty wieder an den Dornenranken zerrte und den Schwanz jetzt zwischen die Hinterbeine geklemmt hatte. Es bereitete ihr eindeutig Schmerzen, aber sie war nach wie vor fest entschlossen, sich loszureißen. Als sich ihr Versuch als vergeblich erwies, wandte sie sich dem Mädchen zu und knurrte. Phineas sah, wie die Hündin im Mondschein zitterte und die Nackenhaare aufgerichtet hatte. Als er wieder zu dem Mädchen blickte, war es zwei Schritte zurückgewichen und lief ein bisschen tiefer in den Wald.
    »Helfen Sie mir«, wiederholte es. »Ich habe mich verlaufen und bin ganz allein.«
    Phineas war jetzt misstrauisch, auch wenn er nicht hätte sagen können warum, von der Totenblässe des Mädchens und der Wirkung, die es auf die Hündin hatte, einmal abgesehen. Dennoch ging er auf sie zu, worauf sie sich etwas weiter entfernte, bis die Lichtung hinter ihm lag und vor ihm nur noch Wald war – der Wald und die schummrige Gestalt des Mädchens zwischen den Bäumen. Phineas senkte die Taschenlampe, doch das Mädchen verschwand nicht im Schatten. Stattdessen sonderte es weiter einen schwachen Lichtschein ab, und obwohl Phineas seinen eigenen Atem aufsteigen sah, drang keinerlei Wolke aus dem Mund des Mädchens, selbst als es wieder das Wort ergriff.
    »Bitte, ich bin allein und fürchte mich«, sagte es. »Kommen Sie mit mir.«
    Sie hob jetzt die Hand und winkte ihm, und er sah die Erde unter ihren Fingernägeln, als habe sie sich aus einer dunklen Grube gewühlt, einem Versteck aus Erde, Würmern und Ungeziefer.
    »Nein, mein Schatz«, sagte Phineas. »Ich glaube nicht, dass ich mit dir irgendwo hingehe.«
    Ohne den Blick von ihr abzuwenden, zog er sich zurück, bis er neben Misty war, dann ging er in die Hocke und hackte auf die Dornenranken ein. Sie waren widerspenstig und fühlten sich klebrig an. Als er sie zerschnitt, hatte er das Gefühl, als ringelten sich dafür andere um seine Stiefel, aber später sagte

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