Die Bruderschaft der Nacht: Thriller (German Edition)
nichts tun. Ich arbeite für den Vater eines ehemaligen Soldaten, der dieses Mal im Irak gedient hat. Sein Sohn hat Selbstmord begangen, nachdem er zurückgekehrt ist. Anscheinend hat sich das Verhalten des Jungen in den Wochen vor seinem Tod verändert, und sein Vater möchte wissen, was dazu geführt haben könnte. Harold kannte den Jungen ein bisschen, denn er war bei der Beerdigung. Ich möchte ihm bloß ein paar Fragen stellen.«
Stunden schüttelte bedrückt den Kopf. »So was ist ’ne schwere Bürde. Haben Sie Kinder?«
Diese Frage gab mir immer zu denken. Ja, ich habe eine Tochter. Und einst hatte ich noch eine andere.
»Eines«, sagte ich. »Ein Mädchen.«
»Ich hab zwei Jungs, vierzehn und siebzehn.« Er musste mir etwas an der Miene angesehen haben, denn er sagte: »Ich hab spät geheiratet. Zu spät, glaub ich. Ich hatte meine festgefahrenen Gewohnheiten und bin gar nicht dazu gekommen, an Mädchen zu denken. Meine Jungs wohnen bei ihrer Mutter drunten in Skowhegan. Ich möchte nicht, dass sie zum Militär gehen. Wenn sich einer meiner Söhne freiwillig melden sollte, würde ich ihm sagen, was ich davon halte, aber ich würde ihn nicht dran hindern. Aber wenn ich ’nen Jungen drüben im Irak oder in Afghanistan hätte, würde ich jede Stunde drum beten, dass ihm nichts passiert. Ich glaube, das würde mich ein paar Jahre meines Lebens kosten.«
Er lehnte sich an die Werkbank.
»Wie schon gesagt, Harold hat sich verändert«, sagte er. »Ich meine damit nicht bloß wegen dem Krieg und seiner Verwundung. Ich glaube, er ist innerlich krank.« Er tippte sich seitlich an den Kopf, nur für den Fall, dass ich mir in Bezug auf Harolds Störungen etwas vormachen sollte. »Als er zum letzten Mal in die Bar gekommen ist, was vor, oje, das muss zwei Wochen her sein, hat er anders ausgesehn, als ob er nicht mehr richtig schläft. Ich hätte gesagt, dass er Angst hatte. Ich musste ihn fragen, was los ist, so offensichtlich war das für mich.«
»Was hat er gesagt?«
»Na ja, er hatte da schon einiges intus, und das war noch bevor er in der Dame war, aber er hat mir erzählt, dass er verfolgt wird.« Er ließ das Wort im Raum stehen, als wartete er darauf, dass es mit totem Fleisch und alten Fellen überzogen werde und Gestalt annehme. »Er hat gesagt, dass er Stimmen hört, dass sie ihn vom Schlafen abhalten. Ich hab ihm erklärt, dass er einen Militärarzt aufsuchen sollte, dass er möglicherweise an diesem Belastungsdings leidet. Diesem posttraumatischen Soundso.«
»Was haben diese Stimmen gesagt?«
»Er hat sie nicht verstanden. Sie haben kein Englisch gesprochen. Danach war ich mir dann sicher, dass es irgendwas mit dem zu tun hat, was er da drüben erlebt hat. Wir haben noch ein bisschen drüber geredet, und er hat gesagt, dass er sich vielleicht an jemanden wendet.«
»Und, hat er es getan?«
»Weiß ich nicht. Das war das letzte Mal, dass er in die Bar gekommen ist. Aber ich habe mir Sorgen um ihn gemacht, deshalb bin ich eine Woche später zu ihm rausgefahren, um nachzusehen, wie’s ihm geht. Ein Auto stand vor seiner Hütte, deshalb hab ich mir gedacht, dass er Besuch hat, und da wollte ich ihn nicht stören. Als ich rückwärts den Berg runtergefahren bin, ging die Hüttentür auf und vier Männer kamen raus. Harold war einer davon. Die andern drei kannte ich nicht. Sie haben mir hinterhergeschaut. Aber später sind die drei Besucher hergekommen und haben da gestanden, wo Sie jetzt stehn. Sie haben mich gefragt, was ich bei Harold wollte. Der Farbige, der hauptsächlich geredet hat, war ganz höflich, aber ich hab gemerkt, dass es ihnen nicht gepasst hat, dass ich rausgefahren bin. Ich hab ihnen die Wahrheit gesagt: dass ich ein Freund von Harold bin und mir Sorgen um ihn gemacht habe, weil er in letzter Zeit nicht ganz bei sich zu sein schien. Das hat ihn offensichtlich zufriedengestellt. Er hat mir erklärt, dass sie alte Militärkameraden von Harold wären und dass es Harold gut ginge.«
»Und Sie hatten keinen Grund, ihnen nicht zu glauben?«
»Vom Militär waren sie mit Sicherheit. Sie hatten diese Haltung an sich. Der eine hat ein bisschen gehumpelt und hier haben ihm Finger gefehlt.« Stunden hielt seine linke Hand hoch. »Ich hab angenommen, dass es eine Kriegsverletzung ist.«
»Und der Dritte?«
»Der hat nicht viel gesagt. Ein breitschultriger Typ, glatzköpfig. Ich mochte ihn nicht.«
Das war Bacci, dachte ich eingedenk der Anmerkungen von Ronald Straydeer auf dem Foto.
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