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Die Bruderschaft der Nacht: Thriller (German Edition)

Die Bruderschaft der Nacht: Thriller (German Edition)

Titel: Die Bruderschaft der Nacht: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Connolly
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es zu spät ist. Irgendetwas muss für sie getan werden. Irgendjemand muss die Verantwortung dafür übernehmen.«
    Sie lehnte sich zurück. Ein Teil der Härte fiel von ihr ab, und sie wirkte nur noch müde. Müde und irgendwie jünger, als sie war, so als wäre ihre Verzweiflung angesichts der Toten sowohl professioneller Natur als auch beinahe kindlich in ihrer Reinheit.
    »Verstehen Sie jetzt, weshalb ich misstrauisch war, als sich ein Privatdetektiv und auch noch einer, dem, bei allem Respekt, der Ruf vorauseilt, dass er zur Gewalttätigkeit neigt, nach Veteranen erkundigte, die von eigener Hand gestorben sind?«
    Es war eine rein rhetorische Frage, und selbst wenn es nicht so sein sollte, hielt ich sie für eine. Ich winkte nach einer weiteren Runde. Wir sagten nichts, bis der Nachschub kam und sie den Rest aus ihrem ersten Glas ins zweite gekippt hatte.
    »Und wie sieht’s mit Ihnen aus?«, fragte ich. »Welche Auswirkungen hat das auf Sie?«
    »Ich verstehe die Frage nicht ganz«, sagte sie.
    »Ich meine, es muss doch schwer sein, sich all diese Geschichten anzuhören, in denen es um Schmerz, Verwundung und Tod geht, und Woche um Woche diese geschädigten Männer und Frauen zu sehen. Das muss doch seinen Tribut fordern.«
    Sie schob das Glas auf dem Tisch herum und betrachtete die dabei entstehenden Muster, die aussahen wie Venn-Diagramme.
    »Deswegen habe ich das Militär verlassen und bin zivile Fachberaterin geworden«, sagte sie. »Ich habe deshalb immer noch Gewissensbisse, aber da drüben kam ich mir manchmal wie König Knut vor, der die Flut allein aufhalten wollte. Im Irak konnte ich immer von einem Kommandeur überstimmt werden, der Soldaten im Feld brauchte. Die Bedürfnisse vieler wogen schwerer als die Bedürfnisse einiger weniger, und meist konnte ich nur Vorschläge vorbringen, wie man damit zurechtkommen könnte, als ob das Soldaten etwas nützte, die gar nicht mehr in der Lage waren, mit irgendetwas zurechtzukommen. In Togus habe ich das Gefühl, an einer Strategie mitzuwirken, einem Versuch, sich einen Gesamteindruck zu verschaffen, auch wenn dieser darin besteht, dass man bereits bei fünfunddreißigtausend Soldaten eine PTBS diagnostiziert hat und noch weitere hinzukommen werden.«
    »Das ist keine Antwort auf die Frage«, sagte ich.
    »Nein, ist es nicht, oder? Worauf Sie hinauswollen bezeichnet man als Sekundärtrauma. Je eingehender sich Therapeuten auf die Opfer einlassen, desto wahrscheinlicher machen sie einen Teil von deren Trauma durch. In diesem Moment ist die psychische Evaluation der Therapeuten praktisch nicht mehr existent. Es handelt sich um eine Selbstevaluation, sonst nichts. Dass man zusammengebrochen ist, weiß man erst, wenn man zusammenbricht.«
    Sie trank die Hälfte ihres Weins.
    »Und jetzt erzählen Sie mir von Harold Proctor und was Sie da draußen gesehen haben«, sagte sie.
    Ich erzählte ihr den größten Teil und ließ nur ein bisschen was von dem aus, was ich von Edward Geagan erfahren hatte, und ich erwähnte das Geld nicht, das man in Proctors Hütte entdeckt hatte. Als ich fertig war, sagte sie nichts, blieb aber auf Blickkontakt. Wenn das eine Art Psychiatertrick war, mit dem sie mich mürbe machen und dazu bringen wollte, dass ich alles ausplapperte, was ich seit meiner Kindheit für mich behalten hatte, funktionierte er nicht. Ich hatte ihr schon mehr über mich verraten, als ich wollte, und das würde ich nicht noch mal tun. Ich sah mich vor meinem inneren Auge, wie ich eine Stalltür schloss, während ein Pferd am Horizont verschwand.
    »Was ist mit dem Geld?«, fragte sie. »Oder haben Sie das nur vergessen?«
    Die Staatspolizisten waren offenbar empfänglicher für ihre Tricks als ich. Wenn wir uns das nächste Mal begegneten, musste ich mit Walsh ein paar Takte darüber reden, dass man Rückgrat zeigen und nicht gleich kichernd herumalbern sollte, wenn einen eine gutaussehende Frau am Arm tätschelte und Komplimente zu seiner Waffe machte.
    »Daraus bin ich noch nicht ganz schlau geworden«, sagte ich.
    »Sie sind nicht dumm, Mr Parker, also gehen Sie nicht davon aus, dass ich es bin. Lassen Sie mich ein paar Schlussfolgerungen vorbringen, zu denen Sie meiner Meinung nach gelangt sind, und wenn ich fertig bin, dürfen Sie mir widersprechen. Sie glauben, dass Proctor in seinem Motel möglicherweise irgendwelche Gegenstände eingelagert hat, vermutlich sogar Drogen. Sie glauben, dass das Geld in seiner Hütte der Lohn für seine Dienste war. Sie

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