Die Bruderschaft der Nacht: Thriller (German Edition)
lange bevor der Mann die Verfolgung aufgenommen hatte, dieser seltsame, abgerissene Mensch, der glaubte, Seelen zu ernten, und Andenken an seine Opfer hortete. Vom Käpt’n hatte er noch mehr erfahren. Der Kollektor wollte das Kästchen für sich haben. Das hatte jedenfalls der Käpt’n gesagt, und Herod glaubte ihm. Herod hatte immer darauf geachtet, dass er im Verborgenen blieb, war unter einer Reihe von Decknamen aufgetreten, hatte Briefkastenfirmen benutzt, skrupellose Anwälte und zwielichtige Spediteure, die sich wenig um Papierkram und Zollunterlagen scherten, solange das Geld stimmte. Doch die Einzigartigkeit einiger seiner Anschaffungen und die Erkundigungen, die er im Laufe seiner Suche nach ihnen angestellt hatte, so diskret er dabei auch vorgegangen war, hatten zwangsläufig das Interesse des Kollektors auf ihn gelenkt. Jetzt war es wichtig, dass er ihm ein Stück voraus blieb, denn es würde eine Zeitlang dauern, bis er die raffinierten Schlösser des Kästchens durchschaut hatte. Sobald das Kästchen geöffnet war, gab es nichts mehr, was der Kollektor oder irgendjemand anders noch tun konnte. Der Triumph des Käpt’ns wäre Herods Rache, und er könnte endlich sterben und seine Belohnung im Jenseits verlangen.
Herod verließ das Haus, ging an den Leichen von Pritchard und Vernon vorbei, die im Hof lagen, und stieg in sein Auto. In der Ferne ertönten Sirenen, die näher kamen. Als er den Schlüssel ins Zündschloss steckte, hörte er das Hämmern aus dem Kofferraum, bis es vom aufheulenden Motor übertönt wurde.
33
Als Karen Emory ein kleines Mädchen war und erst seit kurzem in ihrem eigenen Zimmer schlief, wenn auch bei offener Tür und dem Schlafzimmer ihrer Mutter in Sichtweite, war kurz nach Mitternacht ein Mann in ihr Haus eingebrochen. Karen war aufgewacht und hatte den Eindringling in der Dunkelheit in einer Ecke ihres Zimmers entdeckt, von wo aus er sie betrachtete. Er war völlig still – sie konnte ihn nicht einmal atmen hören –, dennoch hatte sie ihn unterbewusst wahrgenommen, hatte gemerkt, dass etwas nicht so war, wie es sein sollte, und dass ihr Gefahr drohte. Sie war so erschrocken, dass sie nicht einmal schreien konnte, als sie ihn anschaute. Jahrzehnte später konnte sie sich immer noch daran erinnern, wie trocken ihr Mund gewesen und wie keuchend ihr Atem gegangen war, als sie um Hilfe rufen wollte, an das Gefühl, als werde sie von einer schweren Last niedergedrückt, die sie an jeder Bewegung hinderte. Beide waren wie erstarrt gewesen.
Plötzlich war der Mann von einem Fuß auf den anderen getreten, als wollte er sich auf sie stürzen, und hatte die in Handschuhen steckenden Hände nach ihr ausgestreckt, worauf der Bann gebrochen war. Sie hatte so laut geschrien, dass ihr Tage später noch der Schlund weh tat, und der Eindringling war zur Treppe gestürmt. Ihre Mutter kam gerade noch rechtzeitig aus ihrem Schlafzimmer, um zu sehen, wie eine Gestalt die Haustür aufriss und verschwand. Nachdem sie sich um ihre Tochter gekümmert hatte, rief sie die 911 an. Polizeiwagen rückten an, und die Suche begann. Irgendwann wurde ein Herumtreiber namens Clarence Buttle aufgegriffen, der sich in einer Gasse hinter einem Müllcontainer versteckte. Karen hatte den Polizisten erklärt, dass sie den Mann in ihrem Zimmer nicht genau gesehen habe und sich nicht an ihn erinnern könne. Auch ihre Mutter behauptete, sie habe ihn in der Dunkelheit nur von hinten gesehen und sei zu müde und erschrocken gewesen, um irgendwelche Einzelheiten wahrzunehmen. Der Eindringling war durch ein Fenster ins Haus eingestiegen, hatte aber keine Fingerabdrücke hinterlassen. Buttle beteuerte lauthals seine Unschuld und behauptete, er habe sich nur in der Gasse versteckt, weil er Angst vor der Polizei gehabt habe und sich nichts vorwerfen lassen wollte, das er nicht getan hatte. Er redete wie ein Kind und wollte den Polizisten, die ihn vernahmen, nicht in die Augen schauen.
Sie behielten ihn vierundzwanzig Stunden in Gewahrsam. Er verlangte keinen Anwalt, da man ihm keine Straftat zur Last legte. Er nannte lediglich seinen Namen und erklärte, dass er aus Montgomery, Alabama, stammte, aber seit fast zwölf Jahren auf Trebe sei. Er wusste nicht genau, wie alt er war, meinte aber dreiunddreißig zu sein, »wie unser Herr Jesus Christus«.
Während er eingesperrt war, fand man an einem Nagel neben Karens Fenster ein Stück Stoff. Es passte genau zu einem Loch in Clarence Buttles Mantel. Daraufhin wurde er
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