Die Bruderschaft der Nacht: Thriller (German Edition)
Film, ein Actionfilm diesmal, aber sie döste bereits ein. Die Augen fielen ihr zu. Sie hörte sich schnarchen und wachte davon auf. Sie legte sich hin und schob sich das Kissen unter den Kopf. Die Stimmen kamen wieder, aber jetzt hatte sie das eigenartige Gefühl, dass dieser Traum und ihre Alpträume in Zusammenhang mit Clarence Buttle miteinander verschmolzen, denn plötzlich meinte sie zu spüren, dass etwas ganz in ihrer Nähe war.
Nein, nicht im Traum.
Im Haus.
Sie schlug die Augen auf.
»Joel?«, rief sie, weil sie dachte, er wäre vielleicht früher als erwartet heimgekommen. »Bist du da?«
Keine Antwort, doch sie spürte, dass irgendwo im Haus etwas auf ihre Worte reagierte, dass plötzlich Reglosigkeit herrschte, wo sich zuvor etwas bewegt hatte, und eine jähe Stille eingekehrt war.
Sie setzte sich auf. Ihre Nasenflügel zuckten. Ein unbekannter Geruch hing in der Luft – muffig, aber auch leicht parfümiert, wie ein altes liturgisches Gewand, an dem noch ein Hauch Weihrauch hing. Sie fand ihren Morgenmantel und zog ihn über, bedeckte ihre Blöße und wollte gerade zur Schlafzimmertür gehen, als sie es sich anderes überlegte. Sie kehrte zu ihrem Nachttisch zurück und öffnete die Schublade. Darin lag ein Lady Smith 60, ein 38er Special von Smith & Wesson. Joel hatte darauf bestanden, dass sie eine Schusswaffe im Haus hatte, und er hatte ihr im Wald beigebracht, damit zu schießen. Sie mochte die Knarre nicht und hatte sich eigentlich nur ihm zuliebe bereit erklärt, sie bei sich zu haben, aber jetzt war sie froh, dass sie nicht völlig wehrlos war.
Sie wartete oben an der Treppe, hörte aber nichts, jedenfalls nicht sofort. Dann nahm sie es allmählich wahr.
Das Geflüster hatte wieder eingesetzt, und diesmal schlief sie nicht.
34
Karen stand an der Kellertür und lauschte. Sie kam sich vor wie eine Schlafwandlerin, denn noch immer war sie von der Schlaftablette, dem Gras und dem stundenlangen Dösen benommen. Alles wirkte wie leicht aus dem Lot geraten. Als sie den Kopf drehte, schien es einen Sekundenbruchteil zu dauern, bis ihre Augen der Bewegung folgten, und einen Moment lang wurde ihr schwindlig. Zögernd legte sie die Hand an die Kellertür, dann kniete sie sich hin, bis ihr Ohr unmittelbar vor dem Schlüsselloch war. Seltsamerweise änderte das nichts an der Lautstärke der Stimmen, die sie hörte, obwohl sie davon überzeugt war, dass das Geflüster von der anderen Seite der Tür herrührte. Die Stimmen waren sowohl in als auch gegenüber von ihr, was zu einer verschobenen Wahrnehmung führte, die sie beinahe als geometrische Figur wahrnahm – wie ein gleichschenkliges Dreieck mit ihr am Scheitel, dem Ursprung der Stimmen am einen Eckpunkt und dem zu ihr übertragenen Klang an einem dritten. Sie hörte ein Gespräch mit, das entweder geführt wurde, weil man ihre Gegenwart nicht wahrnahm oder weil man sich bewusst war, dass dies keine Rolle spielte. Es erinnerte sie an ein Erlebnis, das sie einst als kleines Mädchen hatte, als ihr Vater eines sonnigen Tages mit seinen Freunden am Gartentisch gesessen und Bier getrunken hatte, während sie im Schatten eines Baumes saß, ihnen zusah und bestimmte Worte und Redewendungen aufschnappte, aber weder dem Gespräch folgen noch ganz verstehen konnte, worum es ging.
Trotz ihrer Abneigung vor dunklen Räumen und ihrer Sorge, wie Joel reagieren könnte, wenn er herausfand, dass sie in den Keller eingedrungen war – denn sie wusste, dass er es so sehen würde, wenn sie ohne ihn hineinging –, wollte sie unbedingt sehen, was da unten war. Ihr war klar, dass er dort irgendetwas Neues einlagerte, denn sie hatte gesehen, wie er nach seiner Rückkehr am Vortag die letzten Kartons hinuntergeschleppt hatte. Beim bloßen Gedanken an ihr Vorhaben erschauderte sie, doch trotz aller Beklommenheit, ja sogar Angst, hatte die Sache auch einen gewissen Reiz.
Sie begab sich auf die Suche nach dem Kellerschlüssel. Joel hatte einen an der Kette mit seinen anderen Schlüsseln, aber ihrer Meinung nach musste es auch irgendwo einen Ersatzschlüssel geben. In den Bereichen des Hauses, die sie gemeinsam nutzten, kannte sie sich bereits ganz gut aus und wusste, dass eine der Küchenschubladen einen Haufen alten Schrott enthielt, darunter überzählige Schlüssel, Kombinationsschlösser und Schrauben. Sie wühlte darin herum, fand aber keinen Schlüssel, der so aussah, als würde er zum Schloss an der Kellertür passen. Danach durchsuchte sie die Taschen
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