Die Bruderschaft der Nacht: Thriller (German Edition)
Blick auf das Kästchen geworfen hatte, und seine Bereitschaft, den Mord an Jandreau und das Foltern des Detektivs zu billigen, war einfach nur ein weiteres Zeichen dafür, aber jetzt ging diese Veränderung immer schneller vonstatten. Nur einmal, als er durch Augusta kam, war ihm unwohl zumute. Er hatte ein Geräusch im Kopf, wie Wellen, die sich am Strand brachen. Anfangs störte es ihn, doch als er Meile um Meile abspulte, fand er es beruhigend, regelrecht einschläfernd. Er wollte nichts mehr trinken. Er wollte nur noch Karen. Er würde sie nehmen, und danach würde er schlafen.
Die Straße erstreckte sich vor ihm, und die See sang leise in seinem Kopf, rauschte und brach sich.
Flüsterte.
13
Rojas’ Lagerhaus stand in einem Außenbezirk im Norden von Lewiston. Es war früher eine Bäckerei gewesen, die ein halbes Jahrhundert lang im Besitz der gleichen Familie war. Der mit verblichener weißer Farbe aufgemalte Familienname Bunder war noch immer an der Fassade des Gebäudes zu erkennen. Der Werbespruch des Unternehmens – »Bunder, das Wunderbrot« – war früher im Lokalradio gelaufen und wurde zu einer Melodie gesungen, die nicht allzu weit von Frankie Laines Titelsong »Champion the Wonder Horse« aus der Fernsehserie Drei gute Freunde entfernt war. Franz Bunder, die Vaterfigur des Unternehmens, war selber auf die Idee gekommen, die Melodie zu verwenden, und weder er noch die Herrschaften, die für die Produktion der Werbekampagne verantwortlich waren, scherten sich groß um Sachen wie Urheberrecht und Tantiemen. Da die Werbung aber nur im Osten von Maine zu hören war und sich kein gekränkter Fan von schwarzweißen Pferdedramen jemals beschwerte, wurde die Melodie verwendet, bis Bunders Bäckerei irgendwann ihren letzten Laib buk, nachdem sie von den großen Jungs aus dem Markt gedrängt wurde und lange bevor den Menschen klar wurde, welchen Wert kleine Familienbetriebe für ein Gemeinwesen hatten.
Antonio Rojas, den die meisten Leute in seinem Gewerbe unter seinem bevorzugten Pseudonym Raul kannten, konnte man nicht vorwerfen, jemals den gleichen Fehler zweimal zu machen, denn seine Geschäfte beruhten ganz und gar auf Familienbanden, im engeren wie im weiteren Sinne, und er war sich der Bedeutung seiner Beziehungen zur großen Einwanderergemeinschaft durchaus bewusst, da diese Gras, Kokain, Heroin und neuerdings auch Methamphetamin von ihm kaufte, wofür er sehr dankbar war. Crystal Meth war das am weitesten verbreitete Betäubungsmittel im Staat, sowohl in Pulverform als auch als »Eis«, und Rojas waren die Profitmöglichkeiten sehr schnell klar geworden, zumal der Stoff rasch abhängig machte, was einen gierigen und ständig größer werdenden Markt garantierte. Zugute kam ihm außerdem die Beliebtheit der mexikanischen Variante der Droge, was wiederum hieß, dass er auf seine eigenen Beziehungen südlich der Grenze zu den USA zurückgreifen konnte, statt von den einheimischen, von zwei Mann betriebenen Labors abhängig zu sein, die, selbst wenn sie sich die Grundstoffe, darunter Ephedrin und Pseudoephedrin, beschaffen konnten, nur selten langfristig für den ständigen Nachschub sorgen konnten, den Rojas für seinen Handel benötigte. Stattdessen ließ Rojas den Stoff auf dem Landweg aus Mexiko heranschaffen und versorgte mittlerweile nicht nur Maine, sondern auch die angrenzenden Staaten in New England. Wenn nötig konnte er auf die kleineren Lieferanten zurückgreifen, um seinen Vorrat aufzustocken. Deshalb duldete er diese Labors, solange sie keine Gefahr für ihn darstellten, und sorgte dafür, dass sie dementsprechend in Anspruch genommen wurden.
Rojas achtete auch darauf, dass er sich nicht mit seinen Konkurrenten überwarf. Die dominikanischen Kartelle zum Beispiel kontrollierten den Heroinhandel im Staat und waren am professionellsten organisiert, weshalb er darauf bedacht war, ihnen nach Möglichkeit immer große Mengen abzukaufen, statt sie völlig zu verdrängen und Vergeltungsmaßnahmen zu riskieren. Außerdem hatten die Dominikaner ihr eigenes Meth-Geschäft, aber Rojas hatte schon vor Jahren eine Zusammenkunft arrangiert, bei der sie ihre Einflussbereiche abgesprochen hatten. Bislang hatten sich alle daran gehalten. Der Kokainmarkt war relativ offen, und Rojas dealte hauptsächlich mit Crack, das einfach zu konsumieren war. Gleichzeitig ließ sich mit illegalen Pharmazeutika aus Kanada ziemlich leicht Geld verdienen, denn es bestand eine stete Nachfrage nach Viagra, Percocet,
Weitere Kostenlose Bücher