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Die Bruderschaft der Nacht: Thriller (German Edition)

Die Bruderschaft der Nacht: Thriller (German Edition)

Titel: Die Bruderschaft der Nacht: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Connolly
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Gäste, die Feuchtigkeit und Schimmel mochten, den Efeu, der sich um ihre Betten rankte, Gäste, die ihrerseits vermoderten, gehässige Schatten, auf den mit Laub übersäten Betten ineinander verschlungen, alte, verfallene Leiber, die sich rhythmisch bewegten, trocken, leidenschaftslos, mit Hörnern an den Köpfen –
    Tobias kniff die Augen zu. Die Bilder waren so lebhaft gewesen, so überzeugend. Sie erinnerten ihn an einige Träume, die er hatte, aber in denen hatten sich nur Schatten bewegt, verborgene Dinge. Jetzt hatten sie Gestalt und Form.
    Herrgott, sie hatten Hörner .
    Es muss der Schock sein, dachte er, eine verzögerte Reaktion auf das, was er am Abend zuvor durchgemacht hatte. Er hielt in Sichtweite von Proctors Hütte an und wartete, dass er herauskam, aber er ließ sich nicht blicken. Proctors Pick-up parkte rechts drüben. Unter normalen Umständen hätte Tobias gehupt und den alten Mistkerl aufgescheucht, aber es brachte nichts, wenn er mitten im Wald Krach schlug, und schon gar nicht, seit Proctor einen Nachbarn hatte, der womöglich rüberkam, um nachzuschauen, was der Lärm sollte.
    Tobias stellte den Motor ab und stieg aus dem Führerhaus. Seine verbrannte Hand fühlte sich feucht an, und ihm war klar, dass die Wunden nässten. Der einzige Trost für den Schmerz und die Demütigung war das Wissen darum, dass die Rache nicht lange auf sich warten lassen würde. Die Mexen hatten sich mit den Falschen angelegt.
    Er ging zur Hütte und rief Proctors Namen, aber drinnen reagierte immer noch niemand. Er klopfte an die Tür.
    »Hey, Harold, wach auf«, rief er. »Ich bin’s, Joel.«
    Erst dann probierte er die Tür. Auch dabei ging er langsam und vorsichtig vor. Proctor schlief immer mit einer Knarre in Reichweite, und Tobias wollte nicht, dass er aus seinem Suff aufwachte und ein paar Schüsse auf einen vermeintlichen Eindringling abgab.
    Sie war leer. Das konnte er trotz der zugezogenen Vorhänge erkennen. Er drückte auf den Lichtschalter und nahm das ungemachte Bett wahr, den kaputten Fernseher und das demolierte Telefon, die Wäsche, die aus dem Korb in der Ecke quoll, und den Geruch nach Verwahrlosung, nach einem Mann, der sich hatte gehen lassen. Rechts von ihm war die Wohnküche. Tobias sah, was dort stand, und fluchte. Proctor hatte den Verstand verloren, das Arschloch.
    Die verbliebenen Kisten und Kartons, die in den Zimmern 11, 12, 14 und 15 versteckt sein sollten, türmten sich fast bis zur Decke, so dass sie jeder sehen konnte, der bei Proctor herumschnüffelte, um festzustellen, was hier vor sich ging. Der verrückte alte Mistkerl hatte sie in seine Bude geschleppt, statt zu warten, bis Tobias kam und sie ihm abnahm. Er hatte sich nicht einmal die Mühe gemacht, sie alle zu schließen. Aus einem starrte ein steinernes Frauengesicht, ein anderer enthielt weitere Siegel, deren Edelsteine funkelten, als Tobias näher trat.
    Am allerschlimmsten aber das völlig unverhüllte goldene Kästchen auf dem Küchentisch, etwa fünfzig Zentimeter lang, ebenso breit und dreißig Zentimeter hoch, dessen Deckel vergleichsweise schlicht war, sah man von einer Reihe konzentrischer Kreise einmal ab, die von einem kleinen Dorn ausgingen. Am Rand waren arabische Schriftzeichen, und die Seiten waren mit ineinander verschlungenen Leibern verziert, verkrümmte Gestalten, aus deren Köpfen Hörner ragten.
    Genau wie die Gestalten, von denen ich in den Motelzimmern phantasiert habe, dachte er. Er hatte dabei geholfen, das Kästchen in dieser ersten Nacht zu tragen, und entsann sich jetzt, wie sie die Bleikiste geöffnet hatten, in der es im Strahl der Taschenlampe zum Vorschein gekommen war. Das Gold hatte matt geschimmert. Später hatte ihm Kramer, der aus einer Juweliersfamilie stammte, erklärt, dass das Kästchen unlängst gereinigt worden sei. Noch immer waren Farbspuren zu sehen, so als sei es einst getarnt worden, um seinen wahren Wert zu verschleiern. Er hatte seinerzeit nur einen kurzen Blick daraufgeworfen, denn dort waren so viele andere Artefakte, und nach dem Gefecht war noch das Adrenalin durch seinen Körper gerauscht. Die Seiten hatte er bislang überhaupt noch nicht gesehen, nur den Deckel. Er konnte also gar nichts von den Kreaturen wissen, geschweige denn sie sich so deutlich vorstellen.
    Vorsichtig näherte er sich dem Kästchen. An drei Seiten befanden sich je zwei Schlösser in Form von Spinnen, an der Vorderseite war ein großes Spinnenschloss – alles in allem sieben Schlösser. Er

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