Die Bruderschaft der Nacht: Thriller (German Edition)
mit heißen Geboten reicher Sammler zu rechnen sei. Der Fachmann glaubte auch zu wissen, woher die Stücke kamen: Ähnliche Siegel waren unter den Schätzen gewesen, die kurz nach dem Einmarsch der Amerikaner aus dem Irakischen Nationalmuseum in Bagdad geraubt worden waren, was wiederum einen Hinweis darauf liefern könnte, wie sie in den Besitz eines ehemaligen Soldaten gelangt waren, der jetzt als Lastwagenfahrer arbeitete. Das Problem für Jimmy und Rojas bestand darin, die Siegel loszuwerden, die Rojas als »Anteil« an dem Unternehmen verkaufen wollte, bevor die Behörden merkten, dass er sie hatte, und an seine Tür klopften.
Aber auch wenn Rojas Jimmy Jewel mochte, so war er doch nicht bereit, ihm ganz über den Weg zu trauen. Er, Rojas, war es schließlich gewesen, der den Truck gekapert hatte. Er wollte sichergehen, dass er entsprechend dafür entschädigt wurde, und außerdem wollte er den Wert der Siegel von einem unabhängigen Fachmann schätzen lassen. Er hatte bereits das Gold und die Edelsteine von zwei Siegeln gelöst und sie bewerten lassen, und selbst wenn man die Kosten für den Vermittler mit einbezog sowie die Tatsache, dass sie nicht auf dem freien Markt veräußert werden konnten, hatte er bereits 200 000 Dollar Profit gemacht, als er sich den Lastwagenfahrer geschnappt hatte. Und als Jimmy ihm mitteilte, dass die unversehrten Siegel viel mehr wert waren und er mindestens fünfmal so viel Geld verloren hatte, als er zwei zerstört hatte, war bei ihm nur kurz Bedauern über sein voreiliges Handeln aufgekommen. Die Beschädigung solcher uralten Artefakte störte Rojas nicht über die Maßen, denn er wusste, wie viel Geld er mit Gold und Edelsteinen verdienen könnte, während der Markt für alte Siegel, egal wie wertvoll sie auch sein mochten, erheblich kleiner und eher etwas für Kenner war. Rojas fragte sich jetzt, wie viele solcher Siegel oder ähnliche Stücke dieser Tobias und seine Komplizen in ihrem Besitz haben mochten. Die Vorstellung, dass sie möglicherweise derartige Waren durch sein Revier transportiert hatten, ohne dass irgendjemand etwas ahnte, jedenfalls nicht, bis Jimmy eingeschaltet worden war, gefiel ihm ganz und gar nicht.
Das Obergeschoss des Bunderschen Lagerhauses war von Rojas in ein Loft umgebaut worden. Er hatte die alten Ziegelmauern stehen lassen und es entschieden maskulin eingerichtet: mit Leder, dunklem Holz und von Hand gewebten Teppichen. In der einen Ecke stand ein großer Plasmafernseher, aber Rojas sah selten fern. Er empfing hier auch keine Frauen, sondern griff lieber auf ein Schlafzimmer in einem der umliegenden Häuser zurück, die allesamt Familienmitgliedern gehörten. Selbst Besprechungen wurden anderswo abgehalten. Das hier war sein Privatraum, und er schätzte die Abgeschiedenheit, die er ihm bot.
Im Untergeschoss standen Feldbetten, Sofas und Sessel sowie ein Fernseher, auf dem ständig mexikanische Seifenopern oder Fußballspiele liefen. Es gab auch eine kleine Küche, und zu jeder Tages- und Nachtzeit standen mindestens vier bewaffnete Männer zur Verfügung. Der Boden von Rojas’ Loft war schalldicht, so dass er sie kaum wahrnahm. Dennoch achteten die Männer darauf, so wenig wie möglich zu sprechen und den Fernseher leise zu stellen, um ihren Boss nicht zu stören.
Als er jetzt am Tisch saß und eine Schreibtischlampe so ausrichtete, dass sie direkt über seine Schulter schien, musterte Rojas eines der verbliebenen Siegel, strich über die eingeritzten Buchstaben und ließ das Licht auf die eingelegten Rubine und Smaragde fallen, die es reflektierten und rote und grüne Farbtupfer auf seine Haut warfen. Er hatte nicht die Absicht, die unbeschädigten Siegel Tobias oder irgendjemandem, der an ihrer Unternehmung beteiligt war, zurückzugeben. Das hatte er nie vorgehabt, und er hatte auch schon Pläne, was eine Reihe der Edelsteine anging. Doch zum ersten Mal überlegte er, ob er nicht einige der unversehrten Siegel behalten und sie weder beschädigen noch verkaufen sollte. Sämtliche Gegenstände in diesem Loft waren neu, und auch wenn sie alle wunderschön waren, waren sie doch auch gesichtslos. Sie hatten nichts Unverwechselbares an sich, stellten nichts dar, das nicht jedermann erstehen konnte, der über ein bisschen Geld und Geschmack verfügte. Aber die Dinger hier, die waren etwas anderes. Er blickte nach links, wo sich ein offener Kamin mit einem steinernen Sims befand, und stellte sich die Siegel auf dem Granit vor. Er könnte einen
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