Die Bruderschaft der Nacht: Thriller (German Edition)
rutschte aus, als er auf den Parkplatz trat. Er blickte nach unten und sah einen dunklen, sich ausbreitenden Fleck. Links von ihm stand Earles Pick-up. Das Blut lief darunter hervor. Jimmy ging in die Hocke, damit er unter den Pick-up schauen konnte, und blickte in Earles tote Augen. Der breitschultrige Mann lag bäuchlings auf der anderen Seite des Fahrzeugs, zwischen der Beifahrertür und den Mülltonnen an der Wand, hatte den Mund aufgerissen und das Gesicht zu einer letzten gequälten Grimasse verzogen.
Jimmy wollte gerade aufstehen, als er spürte, wie ihm eine Knarre an den Schädel gedrückt wurde, wie die erste zögerliche Berührung des Todes.
»Rein«, sagte jemand, und Jimmy konnte beim Klang der Stimme seine Überraschung nicht verhehlen, aber er tat, wie ihm geheißen. Beim Aufrichten warf er einen kurzen Blick auf den Pick-up und sah eine maskierte Gestalt, die sich im Fenster spiegelte. Dann prasselten Schläge auf ihn herab, weil er die Frechheit besessen hatte hinzuschauen. Anschließend kamen Tritte, die ihn den Flur entlang in den Lagerraum trieben. Der Angreifer ließ von ihm ab, als Jimmy zu den Schnapsregalen kroch, auf der Suche nach etwas, an dem er sich hochziehen konnte. Er hatte Blutgeschmack im Mund und konnte auf dem linken Auge kaum sehen. Er versuchte zu sprechen, doch er brachte nur ein heiseres Flüstern heraus. Trotzdem war klar, dass er bettelte – um Zeit, damit er sich erholen konnte, darum, dass die Schläge aufhörten.
Um sein Leben.
Einer der Tritte hatte eine Rippe gebrochen, und er hörte sie knirschen, als er sich bewegte. Er sackte gegen die Regale und holte rasselnd Luft. Beschwichtigend hob er die rechte Hand.
»Sie haben einen Mann wegen hundertfünfzig Dollar und ein bisschen Kleingeld umgebracht«, sagte Jimmy. »Haben Sie mich verstanden?«
»Nein, ich habe ihn wegen viel mehr umgebracht.«
Und jetzt wusste Jimmy genau, dass es nicht um das Geld im Safe ging. Es ging um Rojas und die Siegel, und Jimmy wurde klar, dass er sterben würde, als sich die schwarze Mündung des Schalldämpfers vor ihm auftat wie das Loch, in das er demnächst fallen würde.
Nach dem ersten Schuss verriet er alles, aber der Mann, der ihn ausfragte, gab trotzdem noch zwei weitere ab, nur um sicherzugehen, dass er nichts für sich behielt.
»Nicht mehr«, sagte Jimmy, während das Blut aus seinen Wunden auf den Boden rann. »Nicht mehr.« Es war sowohl eine flehentliche Bitte als auch ein Eingeständnis, dass er nicht weiter leiden wollte und sich damit abfand, dass bald alles vorbei sein würde.
Der Mann, der ihn ausgefragt hatte, nickte.
»Oh mein Gott«, flüsterte Jimmy. »Es tut mir von Herzen leid –«
Die letzte Kugel traf ihn. Er hörte den Schuss nicht, aber er spürte, dass sie gnädig zu ihm war.
Es dauerte tagelang, bis seine und Earles Leiche gefunden wurden. In dieser Nacht setzte Sommerregen ein, der Earles Blut wegwusch, den abschüssigen Parkplatz hinab und zwischen den Holzpfählen hindurch, die den alten Pier stützten, ins Meer spülte – Salz zu Salz. Earles Pick-up wurde an der Maine Mall abgestellt, und als er nach zwei Tagen immer noch dort stand, kümmerte sich der Wachschutz der Mall darum, worauf die Polizei anrückte, denn mittlerweile war klar, dass Jimmy Jewel von der Bildfläche verschwunden war. Im Sailmaker ging niemand ans Telefon, das Bier konnte nicht geliefert werden, und die Säufer, die dort dem Alkohol huldigten, vermissten ihre Klause.
Jimmy wurde im Lagerraum entdeckt. Man hatte ihm in beide Füße und ein Knie geschossen, worauf er vermutlich alles verraten hatte, was er wusste, und deshalb hatte ihn der vierte Schuss ins Herz getroffen. Earle lag zu Jimmys zerschmetterten Füßen, wie ein getreuer Hund, der ins Jenseits befördert worden war, um seinem Herrn Gesellschaft zu leisten. Erst später fiel jemandem das Datum auf: Earle und Jimmy waren am 2. Juni gestorben, auf den Tag genau zehn Jahre, nachdem Sally Cleaver hinter dem Blue Moon ihren letzten Atemzug getan hatte.
Und die alten Männer zuckten die Achseln und sagten, sie wären nicht überrascht.
17
Karen Emory wachte auf und stellte fest, dass Joel nicht mehr im Bett lag. Sie lauschte eine Weile, hörte aber keinen Ton. Auf dem Wecker am Nachttisch war es 4:03 Uhr morgens.
Sie hatte geträumt, und als sie jetzt wach dalag und horchte, ob er sich irgendwo im Haus aufhielt, war sie dankbar, dass sie nicht mehr schlief. Es war natürlich dumm. In knapp drei Stunden
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