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Die Bruderschaft der Runen

Titel: Die Bruderschaft der Runen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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stattfinden.«
    »Auch in London empfindet man so, deshalb legt man so großen Wert darauf, die Aufrührer unschädlich zu machen. Ich bedauere, Sie sozusagen als Köder missbraucht zu haben, Sir Walter, aber in Anbetracht der Umstände hatte ich keine andere Wahl.«
    »Sie haben nur getan, was Ihre Pflicht als Offizier und als Patriot war«, beschwichtigte ihn Sir Walter. »Vielmehr bitte ich Sie, meine Beharrlichkeit zu entschuldigen. Nicht durch Ihr Verschulden, sondern durch meine Unnachgiebigkeit sind meine Familie und mein ganzes Haus in Gefahr geraten.«
    »Ich kann Sie gut verstehen, Sir. An Ihrer Stelle hätte ich wohl nicht anders gehandelt. Aber darf ich in Anbetracht der Lage vorschlagen, dass Sie meinen Anweisungen in Zukunft Folge leisten?«
    Sir Walter nickte, zögernd zuerst, dann bitter entschlossen. »Was verlangen Sie?«
    »Ich schlage vor«, drückte der Inspector es diplomatischer aus, »dass Sie mit Ihrer Familie Abbotsford verlassen.«
    »Ich soll Abbotsford den Rücken kehren? Meinem eigenen Grund und Boden?«
    »Nur bis wir die Sektierer gefasst und zur Rechenschaft gezogen haben«, beeilte sich Dellard zu sagen. »Dank der Hinweise, die ich von Abt Andrew bekommen habe, bin ich guter Hoffnung, dass wir die Gesetzlosen schon bald überführen werden. Bis es jedoch so weit ist, wäre es mir lieber, Sie und die Ihren in Sicherheit zu wissen, Sir Walter. Soweit ich weiß, besitzen Sie ein Stadthaus in Edinburgh …«
    »Das ist richtig.«
    »Dann schlage ich vor, Sie ziehen sich mit Ihrer Familie dorthin zurück und warten ab, bis die Angelegenheit bereinigt ist. In Edinburgh haben Sie nichts zu befürchten. Bis in die Städte wagen sich diese Burschen nicht vor.«
    Sir Walter blickte den Inspector befremdet an. »Wir sollen also fliehen? Uns dem Schrecken beugen, den diese Mordbrenner verbreiten?«
    »Nur für kurze Zeit und auch nicht aus Feigheit, sondern um Ihre Familie zu schützen. Bitte, Sir, sehen Sie es ein. In den letzten Nächten ist es wohl nur deshalb ruhig geblieben, weil ich ohne Ihr Wissen Dragoner an allen Zufahrten zu Ihrem Anwesen postiert habe. Auf Dauer kann ich diese Männer jedoch nicht entbehren, Sir. Ich brauche sie für den Kampf gegen die Sektierer. Natürlich kann ich Sie nicht zwingen zu gehen, aber wenn Sie bleiben, vermag ich nicht länger für Ihre Sicherheit zu garantieren. Bedenken Sie also wohl, was Sie tun. Ich habe Ihnen die Wahrheit gesagt und mit offenen Karten gespielt, und es wäre mir lieb, wenn Sie nun dasselbe tun und mir sagen würden, was Sie vorhaben.«
    Eine lange Pause entstand, in der Sir Walter stumm vor sich hin blickte. Quentin hatte eine ungefähre Vorstellung davon, was seinem Onkel durch den Kopf ging, und er war froh, nicht in seiner Haut zu stecken.
    Eine Entscheidung musste getroffen werden, von der das Wohl des ganzen Hauses abhängen konnte. Entschloss sich Sir Walter, in Abbotsford zu bleiben, mochten sie alle Opfer eines weiteren heimtückischen Überfalls werden. Einmal hatten sich die Angreifer vertreiben lassen – ein zweites Mal würde es sicher nicht so leicht gelingen. Räumte Sir Walter hingegen das Feld, gab er den Aufrührern damit zu verstehen, dass er sich ihrer Gewalt beugte, und wer den Herrn von Abbotsford kannte, der wusste, dass ein solches Nachgeben in fundamentalem Widerspruch zu seinen Überzeugungen stand. Zudem musste er seine Bibliothek und sein Arbeitszimmer hinter sich lassen; die Möglichkeiten, die ihm in Edinburgh zur Verfügung standen, um seine Arbeit fortzusetzen – mit der er ohnehin in argen Verzug geraten war –, waren im Vergleich zu Abbotsford doch sehr eingeschränkt.
    Wie also würde die Entscheidung ausfallen?
    Obwohl Quentin, der sich eben erst aus dem Schatten seiner Familie löste, alles andere als erpicht darauf war, nach Edinburgh zurückzukehren, hoffte er, dass sein Onkel dieser Möglichkeit den Vorzug gäbe. Es war eine Sache, in alten Büchern nach Geheimnissen zu forschen; sich mit blutdürstigen Aufständischen anzulegen war eine ganz andere. Und obgleich ihm anzusehen war, wie schwer ihm die Entscheidung fiel, gelangte auch Sir Walter zu dieser Ansicht.
    »Gut«, sagte er schließlich. »Ich beuge mich der Gewalt. Nicht um meinetwillen, sondern um meiner Frau und meiner Familie und der Menschen willen, die in meinen Diensten stehen. Ich kann nicht verantworten, dass sie meinen Stolz und meinen Starrsinn mit dem Leben bezahlen.«
    »Eine kluge Entscheidung, Sir«, sagte Dellard

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