Die Bruderschaft der Runen
Chaos zu stürzen.«
»Ein fünfhundert Jahre altes Schwert?« Sir Walter konnte sich eines Schmunzelns nicht enthalten. »Zweifellos dürfte es in der Zwischenzeit einigen Rost angesetzt haben.«
»Spotten Sie darüber, wenn Sie können. Aber auch Ihnen sollte die Tatsache zu denken geben, dass es im selben Monat, in dem William Wallace von seinen Anhängern verraten wurde, eine Mondfinsternis gab. Und in wenigen Tagen …«
»… wird es erneut eine Mondfinsternis geben«, ergänzte Quentin mit unheilschwangerer Stimme.
»Sie wissen bereits davon?«
»Wir haben einige der Runen entziffern können, die sich auf König Roberts Sarkophag befinden«, bestätigte Sir Walter. »Zweifellos kennen Sie ihre Bedeutung.«
Abt Andrew nickte. »Diese Runen sind der Grund für unsere Beunruhigung. Denn sie benennen exakt den Ort und die Zeit, an dem die Runenbruderschaft die Kräfte des Königsschwerts entfesseln will.«
»Zum Zeitpunkt der Mondfinsternis am Kreis der Steine.«
»Genauso ist es. Nur fehlt ihnen bislang das Wichtigste.«
»Das Schwert von Robert the Bruce.«
»Richtig, Sir Walter. Wir wissen, dass die Bruderschaft danach sucht. Und natürlich weiß sie, dass auch wir danach suchen. Diesem Zweck diente der Überfall auf die Bibliothek, und nur aus diesem Grund haben die Sektierer das Gebäude in Brand gesteckt.«
»Um Hinweise zu vernichten.«
»Genau.«
»Deshalb also musste der arme Jonathan sterben – wegen eines alten Aberglaubens. Und nicht viel hätte gefehlt, und ich hätte auch meinen Neffen deshalb verloren.«
»Ich denke nicht, dass es zu Beginn in der Absicht der Sektierer lag, Sie und Ihre Familie in die Sache hineinzuziehen, Sir Walter. Aber durch Ihre beharrlichen Versuche, der Wahrheit auf den Grund zu gehen, haben Sie sich selbst in diese Lage gebracht.«
»Also trage ich Schuld an allem, was geschehen ist? Ist es das, was Sie mir sagen wollen?«
»An Dingen wie diesen trägt niemand Schuld, Sir Walter. Sie geschehen einfach, und alles, was wir dabei tun können, ist, den Platz einzunehmen, den die Geschichte uns zugewiesen hat.«
Sir Walter nickte nachdenklich. »Wenn Sie all das wussten, Abt Andrew, wenn Sie zu jedem Zeitpunkt über die wahren Täter informiert waren – weshalb haben Sie mich dann nicht darüber aufgeklärt? Weshalb haben Sie mich blind im Dunkeln tappen lassen?«
»Zu Ihrem Schutz, Sir Walter. Je weniger Sie wussten, desto besser war es für Sie. Zuerst hoffte ich noch, dass Sie irgendwann den Mut verlieren und von der Sache ablassen würden, aber ich hatte Ihre Entschlossenheit grob unterschätzt. Seither haben meine Mitbrüder und ich Sie nach Kräften unterstützt.«
»Sie? Mich unterstützt?«
»Gewiss. Von wem, denken Sie, kam der Schlüssel zur verbotenen Kammer der Bibliothek?«
»Nun, Quentin hat vermutet, dass es die Sektierer waren, die ihn uns haben zukommen lassen.«
»Ihr Neffe hat sich geirrt, Sir Walter. Nicht die Verschwörer, sondern mein Orden hatte den Schlüssel in seinem Besitz. Wir waren es, die ihn an Sie geschickt haben. Und der Besuch Ihres Neffen bei uns in Kelso … Glauben Sie, wir hätten nicht durchschaut, dass er an jenem Tag den Auftrag hatte, in unserer Bücherei zu spionieren? Es wäre uns ein Leichtes gewesen, ihn zu vertreiben, wenn wir es gewollt hätten. Und erinnern Sie sich noch an die Nacht, Master Quentin, in der Sie in die Gewalt der Namenlosen geraten sind? Meine Mitbrüder waren es, die Ihnen das Leben gerettet haben.«
»Sie sind das gewesen?«, fragte Quentin erstaunt. »Dann waren auch Sie es, die sich nahe der Bibliothek einen Kampf mit den Vermummten geliefert haben?«
Der Abt nickte. »In jener Nacht haben die Anhänger der Runenbruderschaft versucht, in die Bibliothek einzudringen und dort nach dem Verbleib des Schwertes zu forschen. Wir konnten sie vertreiben, aber dieser Zustand wird nicht lange andauern. Endgültig können wir die Sektierer nur dann besiegen, wenn es uns gelingt, das Schwert des Bruce in unseren Besitz zu bringen und es von dem Fluch zu reinigen, der darauf lastet.«
»Flüche, dunkle Magie, finstere Verschwörungen – ich glaube nicht an Dinge wie diese«, beharrte Sir Walter. »Und als Mann der Kirche sollten Sie das ebenfalls nicht tun, werter Abt.«
»Diese Dinge, Sir Walter«, entgegnete Abt Andrew harsch, »sind älter als der Orden, dem ich diene. Sie sind sogar älter als die Kirche. Älter, als die Erinnerung der Geschichte zurückreicht. Der Fluch, der auf dem
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