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Die Bruderschaft der Runen

Titel: Die Bruderschaft der Runen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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der napoleonischen Gefahr entronnen, da zog eine neue Bedrohung am Horizont herauf, ein Relikt aus grauer Vorzeit. Quentin verspürte nicht die geringste Lust mit anzusehen, wie sein Land in Chaos und Barbarei zurückfiel, denn genau das schien es zu sein, worauf die Sektierer es anlegten. Also würde er seine Furcht hintanstellen und seiner Pflicht nachkommen, wie man es von ihm als patriotischem Bürger erwartete.
    Auch Sir Walter war in Gedanken versunken. Allerdings konnte Quentin in den Zügen seines Onkels nicht die geringste Furcht ausmachen. Sir Walter war ein Verstandesmensch und stolz darauf; selbst die Ausführungen des Abts konnten ihn nicht von seinen Überzeugungen abbringen. Dafür trübte Sorge Sir Walters Miene.
    Auch wenn er Abt Andrews Überzeugung, was das Schwert und den angeblichen Fluch betraf, nicht teilte – die Bedrohung durch die Bruderschaft der Runen war nicht von der Hand zu weisen. Und als Staatsmann, der er war, wusste Sir Walter sehr wohl, was ein Anschlag auf das Leben des Königs nach sich ziehen konnte. Alles, wofür er sein Leben lang gearbeitet hatte – die Aussöhnung zwischen Engländern und Schotten und die Renaissance der schottischen Kultur – wäre unwiederbringlich zerstört. Das Reich würde in einer Krise versinken, die es anfällig machen würde für Feinde von innen wie von außen. In Sir Walters Augen bedurfte es keines mystischen Fluchs, um das Empire zu bedrohen – die Gefahr war auch so schon groß genug. Er war bitter entschlossen, ihr zu begegnen, und wenn das Schwert der Schlüssel dazu war, dann musste er es vor den Verschwörern finden …
    Schon bald hatte die Kutsche ihr Ziel erreicht. Mit gemischten Gefühlen hatte Quentin festgestellt, dass es erneut Richtung High Street ging, hinauf zum Burghügel, über dem Edinburgh Castle mit seinen mächtigen Mauern thronte. Vor einem alten Haus, das an der Stirnseite eines schmalen Hofs lag, ließ Abt Andrew die Kutsche anhalten. Die drei Männer stiegen aus, und Quentin fröstelte, als er an dem Gebäude emporblickte. Es stammte aus dem späten Mittelalter, hatte Mauern aus Fachwerk und ein hohes, spitz zulaufendes Dach. Dass das Haus schon bessere Zeiten gesehen hatte, stand für Quentin außer Frage; der Lehm des Mauerwerks war an vielen Stellen brüchig, das Holz morsch und faulig. Das Gebäude war unbewohnt, sodass seine Fenster den Besuchern wie die leeren Augenhöhlen eines Schädels entgegenstarrten, dunkel und hohl.
    »Dies war einst ein Gasthaus«, erklärte Abt Andrew. »Jetzt befindet es sich im Besitz meines Ordens.«
    »Wieso denn das?«, fragte Quentin, der sich nicht denken konnte, warum jemand ein altes Gemäuer wie dieses kaufen sollte.
    »Sehr einfach«, gab der Abt mit gedämpfter Stimme zurück. »Der Überlieferung nach war dieses Gasthaus ein geheimer Treffpunkt der Runensekte. Und nun folgen Sie mir nach drinnen, meine Herren. Hier draußen ist es nicht sicher, und die Nacht hat Augen und Ohren.«
    Durch die knarrende Tür traten sie ein. Modrige Luft schlug ihnen entgegen. Abt Andrew entzündete einige Kerzen, und als ihr schummriger Schein sich ausbreitete, erkannte Quentin, dass sie keineswegs allein waren. Entlang der Wände reihten sich mehrere Gestalten in dunklen Kutten, schweigend und reglos. Quentin sog hörbar die Luft ein. Abt Andrew gab jedoch lächelnd Entwarnung.
    »Verzeihen Sie, Master Quentin, ich hätte Sie warnen sollen. Natürlich wird dieses Gebäude zu jeder Zeit von meinen Mitbrüdern bewacht. Wir lassen es niemals aus den Augen.«
    »Aber … warum sind sie im Dunkeln?«, fragte Quentin verblüfft.
    »Weil niemand wissen soll, dass sie hier sind. Schließlich wollen wir unsere Gegenspieler nicht auf unsere Fährte lenken.«
    Das leuchtete Quentin ein. Er half den Mönchen dabei, die Fenster zu verhängen, damit kein Licht nach außen dringen konnte. Danach wurden noch mehr Kerzen entzündet, die den alten Schankraum des Gasthauses sanft beleuchteten.
    Bis auf einen Tresen, der auf alten Alefässern errichtet war, gab es keine Einrichtung mehr. Vermutlich hatte man sie irgendwann geplündert, um im Winter damit kalte Stuben zu heizen. Auf dem Boden lag fingerdicker Staub, der bei jedem Schritt, den die Besucher machten, aufgewirbelt wurde.
    Sir Walter, der sich weder am Schmutz noch am modrigen Gestank zu stören schien, blickte sich aufmerksam um. »Und Sie sind sicher, dass dieser Ort einst ein Treffpunkt der Sektierer war, Abt Andrew?«
    »Jedenfalls wird es

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