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Die Bruderschaft der Runen

Titel: Die Bruderschaft der Runen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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geworden.«
    »Ich verstehe nicht …«, stammelte Mary, und ihre Blicke glitten hilflos zwischen Malcolm und seinen vermummten Anhängern hin und her.
    »Natürlich verstehst du nicht. Wie solltest du auch? Du bist ein unwissendes Weibsbild, deine Gedanken kreisen ausschließlich um dich selbst. Du magst viele Bücher gelesen haben, aber dennoch hast du nichts verstanden. Die Macht, Mary of Egton, gehört jenen, die sie sich nehmen. Dies ist das Wesen der Geschichte.«
    Die Art, wie er sprach, und das Flackern in seinen Augen machten Mary Angst. So, sagte sie sich, musste ein Mensch aussehen, der im Begriff war, den Verstand zu verlieren.
    »Ich weiß nicht, welches Schicksal dich ausersehen hat, uns den Sieg zu bringen«, fuhr er fort. »Aber unsere Wege scheinen untrennbar verbunden. Was vor einem halben Jahrtausend von meinem Ahnen Duncan Ruthven begonnen wurde, wird nun zu Ende gebracht. Das Runenschwert wird zurückkehren und die alte, verderbliche Macht besitzen. Du, Mary of Egton, wirst es sein, die den Fluch besiegelt – mit deinem Blut!« Daraufhin brach er in drohendes Gelächter aus, und seine Anhänger stimmten einen dumpfen, barbarischen Singsang an.
    Blankes Entsetzen ergriff von Mary Besitz. Ihre Blicke verschwammen, und die geschwärzten Fratzen ringsum verschmolzen zu einem Mosaik des Grauens. Alles in ihr verkrampfte sich, und sie schrie, brüllte ihr Entsetzen und ihre Panik laut hinaus, worauf der Gesang der Vermummten nur noch mehr anschwoll.
    Das Herz schlug Mary bis zum Hals, und kalter Schweiß trat auf ihre Stirn – bis die Strapazen überhand nahmen und sie das Bewusstsein verlor. Der Vorhang fiel, und sie war in Dunkelheit gefangen.

12.
    Edinburgh Castle
Sommer 1746
    D ie ehrwürdigen Mauern der Burg, die einst der Sitz von Königen gewesen war, erzitterten unter dem Beschuss feindlicher Kanonen. Die Regierungstruppen waren bereits nahe heran. Es war nur noch eine Frage der Zeit, bis es ihnen gelingen würde, eine Bresche in den äußeren Wall zu schießen und die Festung zu stürmen.
    Erneut erfolgte ein Einschlag, der die Burg in ihren Grundmauern erbeben ließ. Staub rieselte von der Decke, von irgendwoher drangen die Schreie von Verwundeten.
    Für Galen of Ruthven stand fest, dass dies das Ende war. Die Enttäuschung, die er verspürte, war abgrundtief. Für kurze Zeit hatte es so ausgesehen, als könnte gelingen, was ihren Vorfahren versagt geblieben war. Nun jedoch wurden ihre Träume und ehrgeizigen Pläne von den Kanonen der Regierungstruppen in Stücke geschossen.
    »Graf«, wandte er sich an seinen Begleiter, »ich denke, es hat keinen Sinn, noch länger zu warten. Mit jeder Sekunde, die wir zögern, laufen wir mehr Gefahr, den Regierungstruppen in die Hände zu fallen.«
    Der Angesprochene, ein alter Mann mit Bart und grauem Haar, das ihm bis auf die Schulter reichte, nickte bedächtig. Er war hager und knochig und sein Gesicht voller Falten. Sein Blick wirkte seltsam leer, als hätte die Last eines langen, sehr langen Lebens ihn ausgezehrt. »So geht unsere Gelegenheit dahin«, sagte er leise. »Unsere letzte Möglichkeit, die alte Zeit wiederkehren zu lassen. Es ist meine Schuld, Galen.«
    »Eure Schuld, Graf? Wie darf ich das verstehen?«
    »Ich habe es in den Runen gesehen. Sie haben mir gesagt, wie die Schlacht von Culloden enden und dass James niemals König werden würde. Aber ich wollte es nicht wahrhaben. Ich habe die Runen verleugnet. Dies ist die Strafe, die mich dafür ereilt. Nun werde ich nicht mehr erleben, wie die alte Ordnung wiederkehrt.«
    »Sagt so etwas nicht, Graf. Eure Augen haben viele Kriege gesehen. Herrscher kommen und gehen. Es wird eine neue Gelegenheit geben, nach der Macht zu greifen.«
    »Nicht für mich. Lange bin ich auf dieser Welt gewesen, am Leben gehalten von Mächten, die außerhalb deines Begreifens liegen. Aber ich spüre, dass meine Zeit zu Ende geht. Dies war der Grund, weshalb ich die Runen geleugnet und die Zeichen missdeutet habe. Ich wollte nicht wahrhaben, dass die Zeit noch immer nicht reif ist. So viele Jahrhunderte habe ich gewartet – und nun zerrinnt mir die Zeit unter den Händen.«
    Erneut erschütterte ein Einschlag die Festungsmauern, dieses Mal so heftig, dass der Alte Mühe hatte, sich auf den Beinen zu halten. Galen of Ruthven stützte ihn.
    »Wir müssen gehen, Graf«, drängte er.
    »Ja«, sagte der Alte nur – und griff nach dem Bündel, das vor ihm auf dem Tisch lag, presste es an sich, als wäre es der

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