Die Bruderschaft der Runen
seinen rechtmäßig zustand.
Das Schwert – und die Macht.
Den Säbel in der Hand, rannte er zur Tür, öffnete sie einen Spalt und spähte hinaus. Chaos herrschte in den Straßen. Die Bürger hatten sich in ihren Häusern verschanzt, während Kämpfer der Clans Cameron und Grant den Regierungstruppen noch vereinzelt Widerstand leisteten. Die Gardisten rückten vor, Schreie und Schüsse waren von überall zu hören.
Galen of Ruthven wartete, bis der Augenblick günstig war, dann schlüpfte er hinaus, wollte an der Hausmauer entlang zur nächsten Nische, um dort in Deckung zu gehen.
»Du!«, hörte er einen heiseren Ruf – und noch während er sich umwandte, wusste er, dass er einen tödlichen Fehler begangen hatte.
Das Letzte, was er sah, war die dunkle Mündung einer Muskete. Dann fiel der Schuss.
Der laute Knall ließ Mary aus ihrer Ohnmacht erwachen. Halb aufgerichtet blickte sie sich um – nur um festzustellen, dass sie sich nicht in den heftig umkämpften Straßen Edinburghs befand. Einmal mehr hatte sie einen Traum gehabt, der ihr so wirklich erschienen war, als wäre sie tatsächlich dabei gewesen.
Allerdings war die Wirklichkeit nicht weniger Furcht einflößend: Malcolm of Ruthven stand vor ihr und starrte hasserfüllt auf sie herab. Bei ihm war einer seiner Anhänger, der die schwarze Kutte und rußgeschwärzte Maske der Bruderschaft trug.
»Wo ist es?«, wollte Malcolm wissen. »Und ich würde dir raten, nicht wieder ohnmächtig zu werden.«
»Wovon sprichst du?«
»Das Schwert«, drängte Malcolm. »Du weißt, dass wir es suchen. Du hast Gwynneths Aufzeichnungen gelesen. Findet sich darin ein Hinweis auf das Schwert?«
»Du weißt, wo die Aufzeichnungen sind«, erwiderte Mary trotzig. »Lies sie selbst!«
Aber Malcolm of Ruthven war nicht gewillt, sich auf Spiele einzulassen. Er beugte sich zu ihr hinab, packte sie an den Haaren und zog ihren Kopf zurück, sodass ihre Kehle sich ihm ungeschützt darbot. Dann zückte er erneut die Klinge und presste sie ihr an den Hals.
»Dazu reicht die Zeit nicht, und ich verspüre keine Lust mehr, mich von dir an der Nase herumführen zu lassen«, zischte er. »Also sage mir, ob sich in den Aufzeichnungen Hinweise auf das Runenschwert befinden.«
»Nein«, flüsterte Mary.
»Du lügst! Elende Hure, du wirst mich nicht noch einmal zum Gespött der Leute machen. Eher schneide ich dir die Kehle durch, hast du verstanden?«
In seinem unbarmherzigen Griff brachte Mary kaum mehr als ein krampfhaftes Nicken zustande. Tränen stiegen ihr in die Augen. »In den Aufzeichnungen … steht nichts … über das Schwert«, stieß sie hervor.
»Lüge! Alles Lüge!«, brüllte Ruthven mit sich überschlagender Stimme – und schickte sich an zuzustechen.
»Ein Traum«, stieß Mary in ihrer Not hervor. »Ich hatte … einen Traum.«
»Was für einen Traum?«
»Visionen … sehe die Vergangenheit …«
»Was für ein Lügenmärchen ist das nun wieder?«
»Keine Lüge … Wahrheit … habe es gesehen.«
»Das Schwert?«
»Ja.«
»Wo? Wann?«
»Edinburgh … Jakobiten …«
»Du lügst!«
»Nein … sage die Wahrheit«, beteuerte Mary krächzend. »Da war ein Mann.«
»Was für ein Mann?«
»… schon zuvor gesehen, in einem anderen Traum … Begleiter nannten ihn ›Graf‹ …«
Plötzlich lockerte Malcolm den Griff und nahm die Klinge von ihrem Hals. Der Vermummte und er tauschten einen langen, erstaunten Blick.
»Wie hat dieser Graf ausgesehen?«
Mary hustete und musste sich mehrmals räuspern, ehe sie wieder in der Lage war zu sprechen. »Er war schlank, fast hager«, erinnerte sie sich und hatte den Alten dabei deutlich vor Augen. »Er hatte graues Haar und einen Bart, sein Alter war unmöglich zu schätzen. Sein Mund war schmal, sein Blick hatte etwas Unheimliches …«
»Unwissendes Weib«, zischte Malcolm wütend. »Du hast den Gründer unserer Bruderschaft gesehen. Fürst Kalon, Lord Orog, Prätor Gaius Ater Maximus, Graf Millencourt – die Namen und Titel, die er im Lauf der Jahrhunderte annehmen musste, um unerkannt unter den Menschen zu weilen, sind vielfältig. Er war es, der die Bruderschaft der Runen begründete und ihr zu Macht und Ansehen verhalf.«
»Ich habe gesehen, wie er starb«, sagte Mary trotzig.
»Was faselst du da?«
»In meinem Traum. Ich sah eine Flucht durch einen unterirdischen Gang. Kanonendonner war zu hören, alles war in Aufregung.«
»Der Kampf um Edinburgh Castle«, flüsterte Malcolm. »Was
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