Die Bruderschaft der Runen
Ihresgleichen hat uns lange genug ins Handwerk gepfuscht.«
Der Ordensmann zeigte keine Regung, sondern blickte furchtlos in die Mündungen der Pistolen. »Sie dürfen das nicht tun, Dellard«, sagte er beschwörend. »Wenn Sie den Fluch erneut entfesseln, wird er Not und Elend über uns alle bringen. Ein Krieg, der das Land entzweien und in dem Bruder gegen Bruder kämpfen wird. Tausende werden sterben.«
»So ist es«, versetzte Dellard genüsslich. »Und aus der Asche dieses Krieges wird eine neue Macht emporsteigen. Die alten Herren werden vertrieben, und eine neue Ordnung wird errichtet werden.«
»Daran glauben Sie?«
»Und ob ich das tue.«
»Dann sind Sie ein Narr, Dellard, denn Sie werden niemals siegen«, prophezeite Abt Andrew. »Alles, was Sie den Menschen zu bieten haben, sind Angst, Gewalt und Schrecken.«
»Das genügt, um zu herrschen«, erwiderte der Verräter überzeugt.
»Vielleicht. Die Frage ist nur, wie lange Ihre Herrschaft andauern wird. Sie wollen die Vergangenheit wieder lebendig machen und ein Zeitalter heraufbeschwören, das längst zu Ende gegangen ist. Ihr Ansinnen wird scheitern, Dellard, und wir alle werden dabei sein und Ihren Untergang erleben.«
»Ihre hellseherischen Fähigkeiten in allen Ehren, werter Abt«, konterte der Inspector. »Ich fürchte nur, als Orakel taugen Sie nicht allzu viel – bei drei werden Sie nämlich tot sein. Eins …«
»Geben Sie ihm das Schwert, Abt Andrew«, sagte Sir Walter beschwörend. »Dieser Mann kennt keine Skrupel.«
»Nein, Sir Walter. Mein Leben lang habe ich mich auf diesen Augenblick vorbereitet. Ich werde nicht weichen, nun, da er gekommen ist.«
»Dann wird es Ihr letzter Augenblick sein«, versetzte Dellard gehässig. »Zwei …«
»In Gottes Namen, Dellard! Es ist nur ein Schwert, ein altes Artefakt! Was kann es schon anrichten?«
Der Abt wandte sich um und bedachte Sir Walter mit einem wissenden Blick. »Noch zweifeln Sie«, sagte er leise. »Aber schon bald, Sir Walter, werden auch Sie glauben.«
»Drei!«, rief Dellard laut – und die Ereignisse überstürzten sich.
Quentin, der für sich zu dem Schluss gekommen war, dass Abt Andrew sein Leben nicht sinnlos opfern sollte, wollte los, um Dellard und seinen Leuten das Schwert zu übergeben. Der Abt jedoch hielt ihn mit eiserner Hand zurück – und im nächsten Moment krachten die Pistolen der Sektierer.
»Nein!«, riefen Quentin und Sir Walter wie aus einem Munde – aber es war zu spät.
Einen Augenblick hielt sich Abt Andrew noch auf den Beinen, während seine Kutte sich in Brusthöhe bereits dunkel färbte. Dann brach er zusammen.
Sir Walter war sofort bei ihm, während die Vermummten vortraten, um Quentin das Schwert abzunehmen. Schockiert wie er war, leistete der junge Mann nur halbherzig Widerstand – seine einzige Sorge galt jetzt Abt Andrew.
Zwei Kugeln hatten den Ordensmann in die Schulter getroffen, eine dritte direkt ins Herz. In scharfen Stößen pulsierte Blut aus der Wunde und tränkte die Kutte des Mönchs. Abt Andrews Gesichtszüge waren von einem Augenblick zum anderen kreidebleich geworden.
»Sir Walter, Master Quentin«, flüsterte er und bedachte die beiden Männer mit ermattendem Blick.
»Ja, ehrwürdiger Abt?«
»Haben … alles versucht … tut mir so Leid … Fehler gemacht …«
»Sie können nichts dafür«, sprach Sir Walter ihm Trost zu, während Quentin verzweifelt versuchte, die Blutung zu stillen. Es gelang ihm jedoch nicht, und schon bald war seine Kleidung über und über mit dem Blut des Abts besudelt.
»Haben alles gegeben … gekämpft … viele Jahrhunderte … dürfen nicht siegen …«
»Ich weiß«, sagte Sir Walter nur.
Abt Andrew nickte. Dann, in einem jähen Ausbruch letzter Kraft, packte er Sir Walters Schulter und zog sich daran hoch. Mit trüben Augen blickte er ihn an und flüsterte mit heiserer Stimme letzte Worte.
»Zeremonie … nicht durchführen … verhindern …«
Alle Kraft verließ ihn, und sein Oberkörper sackte zurück. Noch einmal bäumte sich sein geschundener Körper auf. Dann fiel der Kopf des Abts zur Seite, und es war zu Ende.
»Nein«, flüsterte Quentin beschwörend, dessen Verstand sich weigerte anzuerkennen, was geschehen war. »Nein, nein!«
Sir Walter verharrte einen Augenblick in stillem Gebet. Dann schloss er dem Abt die Augen. Als er wieder aufblickte, lag ein Ausdruck in seinem Gesicht, den Quentin noch nie bei ihm gesehen hatte. Blanker Hass sprach aus seinen
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