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Die Bruderschaft der Runen

Titel: Die Bruderschaft der Runen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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konnte Sir Walter nicht sehen, wo es begann; mit markigem Knacken gab einer der Tragbalken nach. Das enorme Gewicht, das auf den hölzernen Pfeilern und Trägern ruhte, die sich aus den Fluten des Tweed erhoben, war dadurch einseitig verteilt. Die Statik geriet aus dem Gleichgewicht – und mit donnerndem Getöse brach die Brücke in sich zusammen.
    Unmittelbar dort, wo sich die Kutsche befand, knickten die Träger ein. An der Bruchstelle gaben die Bohlen der Fahrbahn nach; sie stürzten in die Tiefe und schlugen in die Fluten, die sie schäumend davontrugen. Die Räder der Kutsche versanken in den Lücken, die die fehlenden Bohlen hinterließen, der rasende Lauf der Pferde wurde jäh gestoppt.
    Die Tiere wieherten entsetzt und hielten in ihrer wilden Flucht inne. Panisch stemmten sie sich in ihr Geschirr, angetrieben von den hektischen Rufen des Kutschers, der von seinem hohen Sitz aus kaum erfassen konnte, was geschehen war. In diesem Augenblick gab die gesamte Mittelkonstruktion der Brücke nach. In einer wahren Kettenreaktion knickten die Pfeiler und Trägerbalken wie morsche Äste ab – und die Brücke brach in der Mitte entzwei.
    Die Hauptträger barsten mit einem entsetzlichen Knall, der mit Bohlen belegte Fahrweg brach auseinander und senkte sich in die Tiefe, die Kluft vergrößerte sich mit jedem Augenblick. Die Pferde wieherten panisch, wollten sich aufbäumen, doch das Geschirr hinderte sie daran. Sie verloren teilweise den Boden unter ihren Hufen und trampelten ins Leere.
    Während die eine Hälfte der Brücke tosend in sich zusammenstürzte, blieb jener Teil, auf dem die Kutsche stand, noch mit dem Rand der Schlucht verbunden. Einer der Pfeiler widersetzte sich standhaft den Gesetzen der Physik, aber es war nur eine Frage der Zeit, wann auch er den Gewalten nachgeben würde. Weitere Träger brachen, und der hölzerne Brückenweg neigte sich zur Seite.
    Die Kutsche geriet ins Rutschen und prallte gegen das Geländer, das sie vorläufig aufhielt. Ein Ruck durchlief das Gefährt, und der Kutscher, der sich verzweifelt oben auf dem Sitzbock festgeklammert hatte, verlor den Halt. Seine Hände griffen ins Leere, und er fiel schreiend und kopfüber in die Tiefe, wo der Fluss ihn verschlang.
    Die beiden Pferde, die sich nach wie vor wild in ihrem Geschirr aufbäumten, zerrten an der Kutsche. Die Deichsel brach, und die Tiere folgten ihrem Kutscher in den sicheren Tod. Im Fallen durchschlugen sie einen weiteren Träger. Der letzte noch stehende Pfeiler neigte sich knirschend. Nur noch vom morschen Geländer gehalten, schwebte die Kutsche in dramatischer Schräglage über dem Abgrund. Schrille Schreie waren aus dem Inneren zu hören.
    »Nein!«, schrie Sir Walter entsetzt, der bislang gehofft hatte, dass niemand in der Kutsche säße.
    Fieberhaft überlegte er, wie den Insassen geholfen werden könnte …
    Kitty schrie wie von Sinnen.
    In dem Augenblick, als der Brückenweg eingestürzt und die Kutsche mehrere Yards in die Tiefe gesackt war, hatte sich ein schriller, lang gezogener Schrei ihrer Kehle entrungen, der nicht aufhören wollte. Mary dagegen versuchte Ruhe zu bewahren, was in Anbetracht der Ereignisse alles andere als einfach war.
    Zuerst war die Kutsche fast senkrecht in die Tiefe gesackt, dann zur Seite gekippt – und voller Entsetzen hatten die beiden Frauen mit ansehen müssen, wie Winston in die Tiefe gestürzt war.
    »Mein Gott, Mylady!«, rief Kitty schrill und klammerte sich an ihrem Sitz im Fond der Kutsche fest, als könnte sie das retten.
    Mary blickte aus dem Seitenfenster der Kutsche und sah das hölzerne Geländer, das die Brücke zum Abgrund hin begrenzte und die Kutsche im Augenblick noch vor dem Absturz bewahrte. Das von der Sonne und vom Regen verwitterte Holz hatte allerdings schon bessere Zeiten gesehen, und unwillkürlich fragte sich Mary, wie lange es der Beanspruchung noch standhalten würde, zumal bereits ein unheilvolles Knirschen und Knacken zu hören war.
    Vorsichtig, um das labile Gleichgewicht nicht zu gefährden, wagte sie sich noch ein Stück weiter vor und spähte aus dem Fenster. Zu ihrem Entsetzen stellte sie fest, dass die Brücke unmittelbar vor der Kutsche endete; nur die geborstenen Enden der Tragbalken waren dort zu sehen, wo der Fahrweg hätte weitergehen sollen. Die Pferde waren fort, waren zusammen mit ihrem Meister in die Tiefe gestürzt.
    Die Brücke war in der Mitte auseinander gebrochen, die andere Hälfte bereits in sich zusammengestürzt. Nur eine

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