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Die Bruderschaft der Runen

Titel: Die Bruderschaft der Runen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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Schotten gab.«
    »Ich danke Ihnen für Ihre Freundlichkeit, Sir«, erwiderte Mary höflich. »Sie haben uns in Ihrem Haus aufgenommen und uns jede nur denkbare Hilfe zukommen lassen. Wären Sie nicht gewesen, würden Kitty und ich nicht hier sitzen. Ich kann Ihnen also gar nicht genug danken.«
    »Danken Sie mir nicht zu sehr«, erwiderte Sir Walter, und wieder schien sich ein Schatten über sein Gesicht zu legen. »Quentin und ich haben nur getan, was das Gebot der Stunde war. Bevor wir nun aber gemeinsam zu Abend essen, lassen Sie uns beten und dem Herrn danken. Und lassen Sie uns auch an jene denken, die nicht mehr unter uns sind.«
    Fast schien es Mary, als wäre das Licht des Kaminfeuers und der Kerzen in den Lüstern plötzlich gedämmt, als breitete der Schatten auf Sir Walters Zügen sich aus und erfasste den gesamten Raum. Schwermut legte sich auf die Herzen aller Anwesenden, und sie senkten die Häupter und falteten die Hände in stummer Andacht.
    »Herr«, sagte Sir Walter leise. »Wir kennen deine Wege nicht und haben nicht Verstand genug, sie zu begreifen. In deiner Weisheit und Güte hast du diese beiden jungen Frauen vor dem Tod bewahrt und sie gesund und wohlbehalten zu uns geführt. Wir beten für die Seelen jener, die nicht mehr bei uns sind. Für Jonathan Milton und Winston Sellers. Sie beide erfüllten bis zum letzten Augenblick ihre Pflicht, jeder auf seine Weise. Nimm sie zu dir in dein Reich und führe sie zur ewigen Gerechtigkeit. Und behüte die, die hier am Tisch versammelt sind, vor allem Bösen, das am Wegrand lauern mag. Amen.«
    »Amen«, echote es reihum.
    Mary, die ihren Blick gesenkt hatte, schaute blinzelnd auf.
    Man hatte sie vor den katholischen Schotten gewarnt, vor dem Fanatismus, den ihr Hang zur Religiosität bisweilen hervorbrachte. Bei Sir Walters Gebet hatte sie jedoch nichts davon bemerkt. Was sie gehört und gefühlt hatte, war nur Betroffenheit, die Anteilnahme von jemandem, dem es egal war, ob jemand Protestant war oder Katholik, Engländer oder Schotte. In Walter Scotts Weltbild – und diesen Eindruck hatte Mary auch durch die Lektüre seiner Romane gewonnen – ging es vor allem um Menschen und nicht um Konfessionen oder Rassen.
    Sie bemerkte den Blick, der ihr von der anderen Seite der Tafel zugeworfen wurde. Es war der junge Mann, der ihr aufgefallen war, kurz bevor sie erneut in tiefen Schlaf gefallen war, und der, wie sie inzwischen wusste, Sir Walters Neffe Quentin war.
    »Wie ich hörte, waren Sie sehr um mein Wohlergehen besorgt, junger Herr«, sagte sie und lächelte ihm zu.
    »Das ist reichlich untertrieben.« Lady Charlotte lächelte mild. »Der gute Quentin hat die ganze Zeit über vor Ihrem Zimmer gewacht, Lady Mary.«
    »Und dabei auch einen Blick hineingeworfen«, versetzte Mary und warf Quentin ein Lächeln zu, das diesen über sein ganzes bleiches Gesicht erröten ließ.
    »V…verzeihen Sie, Mylady«, stammelte er dabei. »Es war nicht meine Absicht, Sie zu beschämen.«
    »Und es war nicht meine Absicht, Sie zu beschämen, werter Master Quentin«, erwiderte sie. »Im Gegenteil, stehen Kitty und ich doch tief in Ihrer Schuld. Wie man mir sagte, waren Sie es, der den rettenden Einfall mit dem Seil hatte.«
    »Nun, ich …« Quentin wusste nicht recht, was er erwidern sollte. Verlegen wandte er den Blick und stocherte mit dem Silberlöffel in der Suppe herum. Wildsuppe gehörte sonst zu seinen Lieblingsgerichten, heute jedoch brachte er kaum einen Löffel davon herunter; zum einen, weil die jüngsten Enthüllungen Sir Walters wie ein Geschwür an ihm nagten, zum anderen, weil die liebreizende Gesellschaft von Lady Mary dafür sorgte, dass er sich vorkam wie ein ausgemachter Narr.
    Der schneidige Edwin Miles, der schon in Edinburgh in höheren Kreisen verkehrt hatte, hatte da weniger Schwierigkeiten. Leise räusperte er sich, um dann in einer galanten Geste sein Glas zu heben und einen Trinkspruch auszubringen.
    »Obwohl ich nicht der Herr dieses Hauses, sondern nur ein geduldeter Gast bin, möchte ich mir erlauben, einen Toast auszusprechen. Trinken wir auf das Wohl dieser beiden jungen Damen, die der Herr so wohlbehalten zu uns geführt hat. Und natürlich auf Sir Walter und Quentin, die daran nicht geringen Anteil hatten.«
    »Auf Sir Walter und Quentin«, sagte Mary und hob ebenfalls ihr Glas.
    Auch Quentin, der schließlich wusste, was sich gehörte, wollte seinen Kelch erheben – dabei kam er jedoch mit dem Ellbogen an Sir Walters Glas und

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