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Die Bruderschaft der Runen

Titel: Die Bruderschaft der Runen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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»Vielleicht waren sie aber auch mehr als das.«
    »Was meinst du, Onkel? Sie trugen Masken vor ihren Gesichtern. Und sie waren bewaffnet, oder nicht?«
    »Das macht sie nicht zwangsläufig zu Räubern, mein Junge. Aber möglicherweise ist es das, was wir annehmen sollen.«
    »Meinst du?«
    »Möglicherweise … Wie oft ist es in den letzten Jahren in Galashiels am helllichten Tag zu einem Überfall gekommen?«
    »Ich weiß nicht, Onkel – sehr lange bin ich noch nicht hier, wie du weißt.«
    »Ich will es dir sagen, mein Junge«, meinte Sir Walter, und seine Stimme nahm dabei einen verschwörerischen Ton an, der Quentin hellhörig werden ließ. »In den letzten vier Jahren hat es im ganzen Bezirk keinen solch dreisten Überfall gegeben. Die Gegend gilt allgemein als befriedet, und ich darf sagen, dass ich als Sheriff von Selkirk meinen eigenen Teil dazu beigetragen habe. Und weißt du, wie viele Brücken in den letzten fünfzehn Jahren eingestürzt sind?«
    Quentin schüttelte den Kopf.
    »Nicht eine einzige«, erklärte Sir Walter. »Verstehst du, worauf ich hinauswill?«
    »Dass das einmal mehr zu viele Zufälle auf einmal sind?«, hielt Quentin dagegen.
    »Erraten, Neffe. Sheriff Slocombe hält den Einsturz der Brücke für einen Unfall, eine Katastrophe, die niemand voraussehen konnte – aber ich habe da meine Zweifel. Was, wenn diese Kerle die Brücke manipuliert haben, um sie in dem Augenblick, als die Kutsche darauf fuhr, zum Einsturz zu bringen?«
    »Du meinst, es waren keine Räuber, sondern gedungene Mörder?«, fragte Quentin tonlos.
    »So ist es«, bestätigte Sir Walter, und Unheil schwang in seiner Stimme mit.
    »Aber«, wandte Quentin nach kurzem Überlegen ein, »ergibt das denn einen Sinn? Diese Banditen haben versucht, Marys … ich meine, Lady Marys Kutsche aufzuhalten. Warum hätten sie das tun sollen, wenn es ihnen in Wirklichkeit darum ging, die Kutsche auf die Brücke zu lotsen? Es hätte genügt, sie von den Reitern jagen zu lassen, oder nicht?«
    »Dieselbe Frage habe ich mir auch gestellt, mein Junge«, erwiderte Sir Walter und nickte anerkennend. »Ich sehe, dass sich meine Lektionen in angewandter Logik allmählich auszahlen. Aber was wäre, wenn der Anschlag in Wirklichkeit nicht Lady Mary galt? Was, wenn diese Maskierten nicht die Aufgabe hatten, ihre Kutsche auf die Brücke zu treiben, sondern sie davon abhalten wollten, die Brücke zu befahren?«
    »Du meinst …?« Quentins Gesichtsfarbe wechselte zu ungesunder Blässe. Sein neu gewonnenes Selbstbewusstsein war plötzlich wie weggefegt.
    »Nehmen wir einmal an, diese Maskierten hatten den Auftrag, einen Anschlag zu verüben – einen Anschlag auf eine Kutsche, von der sie wussten, dass sie die Brücke passieren würde. Sie steigen hinab in die Schlucht und präparieren die Pfeiler der Brücke so, dass sie die Last eines Fußgängers noch tragen, unter dem Gewicht einer Droschke jedoch zusammenbrechen müssen. Und nehmen wir weiter an, dass diese Leute nach getaner Arbeit im Gebüsch sitzen und darauf warten, dass sich die betreffende Kutsche nähert. Es kommt auch tatsächlich eine Kutsche – nur ist es nicht die, auf die sie gewartet haben. Etwas ist anders abgelaufen, als es geplant war, und eine Droschke mit einer jungen Adeligen und ihren beiden Bediensteten droht die Brücke zuerst zu erreichen. Was werden die Mörder tun?«
    »Sie werden versuchen, die Kutsche aufzuhalten«, sagte Quentin leise.
    »Genau das haben diese Männer getan! Allerdings ist es ihnen nicht gelungen. In dem Glauben, die beiden Frauen damit zu retten, hat der Kutscher ihre Reihen durchbrochen und ist hinaus auf die Brücke gefahren … Den Rest der Geschichte kennst du.«
    »Das … das klingt unglaublich«, erwiderte Quentin. »Und doch scheint es die einzige Erklärung zu sein, die Sinn ergibt. Aber wem galt der Anschlag wirklich? Wer saß in der anderen Kutsche, die eigentlich in den Abgrund stürzen sollte, als die Kutsche zusammenbrach?«
    Sir Walter erwiderte nichts, sondern sandte Quentin nur einen langen, durchdringenden Blick. Der Junge überraschte ihn immer wieder – bisweilen durch seinen Scharfsinn und dann wieder durch seine Fähigkeit, das Offensichtliche nicht zu erkennen.
    »Du … willst damit sagen …?«, stammelte der junge Mann, als ihm die schreckliche Wahrheit dämmerte.
    »Was sonst? Erinnere dich an die Worte von Inspector Dellard. Er hat uns ausdrücklich gewarnt, dass man uns nach dem Leben trachten

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