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Die Bruderschaft des Feuers

Die Bruderschaft des Feuers

Titel: Die Bruderschaft des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfredo Colitto
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schließlich überlege ich noch, Euch anzuzeigen, weil Ihr unglaubwürdige Bedrohungen erfindet, um die Aufmerksamkeit von Euren Schandtaten abzuwenden. Nur ein Wunder kann Euch noch retten.«
    Mondino wusste genau, dass er sich an diesem Punkt besser zurückziehen sollte. Doch stattdessen ließ er sich wieder einmal von seinem Zorn übermannen.
    »Ich hoffe nur, dass noch genug Zeit bleibt, um mir den Prozess zu machen«, stieß er mühsam durch die zusammengepressten Zähne hervor. »Nächste Woche könnten wir schon alle tot sein.«
    Damit kehrte er Taverna Tolomei den Rücken und entfernte sich mit großen Schritten, wobei er damit rechnete, jeden Moment den Podestà schreien zu hören, seine Häscher sollten ihn unverzüglich verhaften.
    Der Trauerzug hatte hastig den Weg zwischen dem Haus von Paolo il Tosco und dem kleinen, der Kirche Santa Lucia angeschlossenen Friedhof zurückgelegt. Gabardino hätte gern ein ordentliches Begräbnis bezahlt, mit einem Priester, der dem Sarg vorausging und dabei Gebete sprach, einem Messdiener, der Weihrauch schwenkte, und einer Totenmesse in der Kirche, bevor der Sarg der Erde übereignet würde, doch Viviana hatte sich dagegen gesträubt. In ihrem Viertel war man derartige Beerdigungen nicht gewohnt, und man hätte schlecht von ihr denken können.
    »Schlecht? Aber weshalb denn?«, hatte Gabardino gefragt, worauf sie ihn wütend angefunkelt hatte.
    »Man würde denken, dass ich Euch dafür einen Gegendienst erwiesen hätte«, hatte sie errötend gesagt, und er war sich schrecklich dumm vorgekommen.
    Anscheinend war dies sein unentrinnbares Schicksal. Was er auch tat oder sagte, es war immer verkehrt.
    Der Priester hielt die Totenmesse vor dem offenen Grab ab und murmelte hastig einige lateinische Worte, die selbst Gabardino nur schwer erkannte und die bestimmt kein anderer der Anwesenden verstand. Sie standen in der Nähe der Begrenzungsmauer, in jenem Teil des Friedhofes, der am weitesten von der Kirche entfernt und für die unbedeutenderen Menschen bestimmt war. Denn der Tod machte keineswegs alle gleich, zumindest nicht in den Augen der Menschen. Selbst bei der Beerdigung gab es noch gesellschaftliche Unterschiede.
    Viviana war einen Schritt vorgetreten, damit auch niemand auf den Gedanken kam, zwischen ihnen beiden bestünde irgendeine Art von Beziehung. Auch von hinten betrachtet war sie schön, sie trug ihr Alltagsgewand, weil sie kein Trauerkleid besaß, und darüber einen schwarzen Männerumhang, den sie sich von einem Nachbarn geliehen hatte. Ihre zu einem Knoten zusammengenommenen Haare konnte man unter dem schweren schwarzen Schleier, der ihren Kopf bedeckte, nicht sehen, und doch wirkte ihre schlanke Gestalt auch so noch anziehend.
    Gabardino hatte ein schlechtes Gewissen, nicht so sehr wegen der unkeuschen Gedanken an sich, sondern weil sie an diesem Ort und zu diesem Zeitpunkt völlig unpassend waren. Über Liebe nachzusinnen war nun wirklich nicht angebracht, während Vivianas Vater ins Grab hinabgelassen wurde. Doch ein schlimmerer Gedanke drängte sich ihm auf. Konnte sich hinter der Sorge des Mädchens vor übler Nachrede etwas anderes verbergen?
    Gabardino glaubte das nicht. Er war überzeugt, dass nicht sie die Knochen aus der kleinen Truhe seines Vaters gestohlen hatte. Wann und wie hätte sie das anstellen sollen? Als sie beim Zimmermann gewacht hatten, war zu jeder Tages- und Nachtzeit jemand auf den Beinen gewesen. Und warum hätte das Mädchen ihnen so die Hilfe vergelten sollen, die seine Familie ihr angeboten hatte?
    Dennoch musste er sie nach der kleinen Truhe fragen. Tat er das nicht, würde sein Vater persönlich mit ihr sprechen und sie dabei durch sein unhöfliches Betragen beleidigen. Nein, er musste es tun, aber er wusste nicht, wie.
    Die Totenmesse war beendet. Vier Zimmerleute führten Seile unter dem Sarg hindurch und ließen ihn langsam ins Grab hinab. Viviana kniete nieder, um die erste Handvoll Erde daraufzuwerfen, die mit einem scharrenden Geräusch den Deckel traf. Die Männer ergriffen die Schaufeln, und in kürzester Zeit war das Grab aufgefüllt. Sie klopften die Erde mit der breiten Fläche der Schaufeln fest, dann steckten sie an der Stirnseite ein Holzkreuz mit Paolo il Toscos Namen hinein. Da die Zunft der Zimmerleute dank Gabardino die Kosten für die Beerdigung gespart hatte, würde sie einen Grabstein aus grauem Sandstein bezahlen, der später das Holzkreuz ersetzen würde.
    Als Viviana ihm das mitgeteilt hatte, meinte

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