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Die Bruderschaft des Feuers

Die Bruderschaft des Feuers

Titel: Die Bruderschaft des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfredo Colitto
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ein Anatom der Seele, Magister. Im Laufe meines Lebens habe ich in viele Seelen geblickt und Dinge gesehen, bei deren Anblick sich Euch der Magen umdrehen würde. Die Vorstellung eines Geistlichen, der zur anderen Seite überwechselt, stimmt mich traurig, doch zu erschüttern vermag sie mich nicht.«
    »Dann teilt Ihr meine Ansicht?«
    »Das ist die wahrscheinlichste These. Vor allem wegen der Guidonischen Hand. Soweit ich weiß, findet dieses Hilfsmittel nur bei Geistlichen Verwendung, die Gesang studieren, sicher nicht bei Leuten, die in den Kneipen unzüchtige Lieder schmettern.«
    Mondino überkam eine Art ruhige Begeisterung, dass er eine Deutung für die Abbildung gefunden hatte. Nun war er überzeugt, auf dem richtigen Weg zu sein. Es fehlte bloß noch ein winziger Stein des Mosaiks, dann hätten sie alle Teile beisammen, um den Mörder zu erkennen.
    »Wisst Ihr, ob ein berühmter Sänger aus Rom nach Bologna gekommen ist?«, fragte er.
    »Warum berühmt? Könnte es nicht irgendein Sänger sein?«
    »Das glaube ich nicht. Damit die Botschaft einen Sinn ergibt, muss es jemand hinreichend Berühmtes sein, dessen Name einem sofort einfällt, wenn man an die Worte ›Rom‹ und ›Sänger‹ denkt.«
    Der Priester schloss die Augen, als ob er sein Gedächtnis tief durchforstete. »Nein, es tut mir leid«, sagte er dann. »Mir fällt niemand ein.«
    »Schade«, seufzte Mondino. Einen Moment lang hatte er gehofft, des Rätsels Lösung gefunden zu haben.
    »Aber ich kenne jemanden, der es wissen könnte«, sagte Pater Cherubino. »Den neuen Inquisitor von den Dominikanern. Er ist ein gewissenhafter Mensch, der es als seine Pflicht betrachtet, über alles unterrichtet zu sein, was das Kommen und Gehen von Geistlichen in unserer Stadt betrifft. Warum zieht Ihr so ein Gesicht?«
    Mondino wurde klar, dass ihm wie immer seine Gedanken ins Gesicht geschrieben standen. »Es verhält sich nur so, dass zwischen mir und den Dominikanern die Beziehungen nicht zum Besten stehen, Vater.«
    »Meint Ihr wegen der Ereignisse in diesem Frühjahr?« Der alte Mönch schüttelte seinen weißen Schopf. »Ihr dürft eine Herde nicht nach dem schwarzen Schaf beurteilen. Pater Uberto da Rimini ist hart bestraft worden.«
    »Gewiss doch, aber ich kann mir vorstellen, dass sein Nachfolger nicht gerade gern mit mir zusammenarbeiten würde. Im Grunde war Pater Ubertos Bestrafung eine Schande für die Inquisition und für den gesamten Dominikanerorden.«
    »Der neue Inquisitor heißt Marcello da Verona.« Pater Cherubino machte eine Pause und sah Mondino eindringlich an. »Er ist auch ein Wissenschaftler, wisst Ihr das? Er beschäftigt sich vor allem mit Physik. Wenn Ihr wünscht, werde ich einen Geistlichen schicken, der ihm Euren Besuch ankündigen soll.«
    »Dafür wäre ich Euch dankbar. Ich bin mir sicher, dass Euer Name vieles erleichtert.«
    »Gut. Und nun, wenn dies alles war … Ich möchte meinen Vormittagsimbiss nicht zu lange aufschieben. Euer Onkel legt großen Wert auf regelmäßige Mahlzeiten.«
    »Selbstverständlich«, sagte Mondino lächelnd und versuchte die Furcht zu verbergen, die ihn allein bei der Vorstellung plagte, in Kürze wieder einem Inquisitor gegenüberzustehen. »Auf Wiedersehen, Vater. Und vielen Dank für die Hilfe.«
    Cherubino Cornari richtete sich auf. »Diesem Ungeheuer Einhalt zu gebieten ist eine Christenpflicht«, sagte er. »Zögert nicht wiederzukehren, falls Ihr mich noch einmal benötigt.«
    Mondino ging denselben Weg zurück, den er gekommen war, und sobald er draußen vor der Kirche stand, wandte er sich in Richtung Piazza Maggiore. Genau in diesem Augenblick kam der Podestà in Begleitung von vier Soldaten aus dem großen Portal des Palazzo della Biada.
    Mondino beschleunigte seine Schritte, ohne den Rufen der Kupferschmiede Beachtung zu schenken, die ihre Stände im Schutz der Palastmauern errichtet hatten, und holte ihn auf Höhe des Balkons ein, auf dem man vor sechs Jahren die vergoldete Kupferstatue von Papst Bonifatius  VIII . angebracht hatte.
    Mondino trat vor den Podestà und wünschte ihm mit einer leichten Verbeugung einen guten Morgen. Taverna Tolomei, der in vollem Staat gekleidet war wie jedes Mal, wenn er sich in der Öffentlichkeit blicken ließ, erwiderte den Gruß herablassend, indem er die vergoldete Keule in seine Richtung schwenkte.
    »Messer de’ Liuzzi«, sagte er, auch diesmal nannte er ihn nicht bei seinem Titel. »Ich hoffe, Ihr seid gekommen, um mir zu berichten, dass

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