Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Bruderschaft des Feuers

Die Bruderschaft des Feuers

Titel: Die Bruderschaft des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfredo Colitto
Vom Netzwerk:
Hörsaal beherbergen sollte. Den gepeinigten Körper hatte er auf dem Lehnstuhl zurückgelassen, verdeckt von dem Laken, mit dem man ihn schon während des Transports vor den neugierigen Blicken der Öffentlichkeit verborgen hatte.
    Als Mondino endlich heimgekehrt war, hatte er sich in sein Studierzimmer zurückgezogen und stundenlang sämtliche Texte durchgesehen, über die er verfügte. Sogar seine eigenen Notizen war er durchgegangen, die er seit Jahren als Vorbereitung für das große Traktat über Anatomie sammelte, an dem er arbeitete.
    Und doch hatte er keinerlei wissenschaftliche Erklärung für das finden können, was er gesehen hatte.
    Eine Hitze, die nötig war, um Bertrando Lambertis Knochen zu Asche zu verbrennen, hätte das ganze Haus wie ein Strohbündel in Flammen aufgehen lassen. Stattdessen hatte das Feuer ausschließlich den Körper verzehrt; nicht einmal das Holz des Stuhls, auf dem er saß, wies Brandspuren auf. Und es hatte unerklärlicherweise die Füße, die Unterschenkel und fast den ganzen rechten Arm verschont; Letzterer hatte lediglich Verbrennungen davongetragen. Wie war das möglich?
    Mondino war fest von der Existenz des Bösen überzeugt, so wie er an die Heilige Dreifaltigkeit glaubte und daran, dass die Fürbitte der Heiligen den Menschen Vergebung für ihre Sünden bringen konnte. Aber er weigerte sich aus Prinzip, alles, was auf den ersten Blick vom Normalen abwich, mit dem Eingriff von übernatürlichen Mächten zu erklären, ganz gleich ob guten oder bösen. Ehe man ein Ereignis als unerklärlich einstufte, musste man alle Möglichkeiten der Wissenschaft ausgeschöpft haben.
    Doch das hatte er getan. Er hatte zumindest alle theoretischen Möglichkeiten durchgespielt. Jetzt blieb nur noch eine praktische Untersuchung, von der er sich jedoch keine bedeutenden Erkenntnisse erwartete.
    Mondino kleidete sich in Eile an, wobei er die dicksten Wollstrümpfe wählte, die er besaß, um sich vor der Morgenkälte zu schützen, und ging dann in die Küche hinunter. Lorenza, die Frau, die sich gemeinsam mit ihrem Mann Pietro um den Haushalt kümmerte, war schon dabei, die Glut in der großen Feuerstelle anzufachen, indem sie durch ein Röhrchen mit angekokeltem Ende blies. Pietro sei im Hof und säubere die Latrine, teilte sie ihm leise mit, um ihre kleine Tochter nicht aufzuwecken, die in einem an einem Deckenbalken befestigten Korb ein wenig abseits vom Feuer schlief.
    Mondino setzte sich, um eine Tasse lauwarme Milch zu trinken, und überlegte, was er im Laufe des Tages zu erledigen hatte. Sobald Pietro wieder im Haus war, schickte er ihn, um Gabardino aufzuwecken und ihn zu bitten, er möge so bald wie möglich zu ihm nach unten kommen. Inzwischen erteilte er seinem ältesten Sohn keine Befehle mehr; wenn er etwas von ihm wollte, bat er ihn höflich darum. Gabardino hatte den aufbrausenden Charakter der Liuzzi geerbt und reagierte ausgesprochen zornig auf alles, was in seinen Augen auf mangelnden Respekt hindeutete. Glücklicherweise kamen seine beiden jüngeren Söhne, Ludovico und Leone, nach der Mutter, sonst hätte bei ihnen nur noch Zank und Streit geherrscht.
    Es fehlte einfach eine Herrin im Haus. Seine Frau Giovanna hatte ihm auf dem Sterbebett das Versprechen abgenommen, sich so schnell wie möglich wieder zu vermählen. Doch die Zeit war ins Land gegangen, und inzwischen hatte sich Mondino auf gewisse Weise an die wenn auch ungeliebte Einsamkeit gewöhnt.
    Adia Bintaba, die schöne arabische Alchimistin, hatte zwar sein Herz schneller schlagen lassen, doch genau wie er war sie bewandert in Sprachen und in der Wissenschaft, aber unfähig, für eine Familie zu sorgen. Zurzeit hielt sie sich wohl in Venedig auf, um dort ihren Wissensdurst bei Ärzten, Gelehrten und Alchimisten zu stillen.
    Er drehte sich wieder der Feuerstelle zu, und sobald sein Blick erneut auf dem zusammengesunkenen Haufen Kohle ruhte, dessen rotglühender Kern von der erloschenen Asche bedeckt war, verschwand Adias Bild spurlos aus seinem Kopf, und an seine Stelle trat ein Gedanke, der ihm im ersten Augenblick die Sprache verschlug.
    Das war es also, was ihm im Halbschlaf immer wieder entglitten war. Es gab nur eine Theorie, mit der man erklären konnte, weswegen Bertrando Lambertis Körper vom Feuer verzehrt worden war, ohne dass die Möbel im Zimmer und nicht einmal der Lehnstuhl, auf dem er saß, gebrannt hatten. Eine völlig undenkbare Idee, weil sie wider die Natur war, aber gleichzeitig lag sie auch so

Weitere Kostenlose Bücher