Die Bruderschaft des Feuers
nahe. Erregt sprang Mondino auf und begann, zwischen Tisch und Feuerstelle hin- und herzulaufen.
»Guten Morgen, Vater. Ihr wolltet mich sprechen?«
Gabardino stand aufrecht in der Tür zur Küche, groß und schlank wie er, und in den Augen lag der ganze Stolz seiner zwanzig Jahre. Mondino blieb abrupt stehen.
»Entschuldige, dass ich dich so früh wecken ließ«, sagte er und verbannte seine Erregung in einen hinteren Winkel seines Kopfes. »Ich habe heute Morgen viel zu erledigen und möchte dich daher mit einer Aufgabe betrauen.«
»Ich habe ebenfalls viel zu tun«, erwiderte der Sohn. »Der Laden läuft ganz bestimmt nicht von allein.«
Seit einigen Monaten hatte Gabardino die Arzneimittelhandlung der Familie übernommen, die sich in der Nähe der Kirche Santa Maria dell’Aurora befand. Und das ließ er seine Umgebung keinen Moment vergessen.
Trotzdem gehörte es sich nicht, seinem Vater so zu antworten.
»Du musst zum Tischler und ihm die Zeichnungen für die Einrichtung des neuen Hörsaals bringen«, erwiderte Mondino knapp. »Wenn du jetzt in der Frühe hingehst, kannst du zur gewohnten Stunde im Laden sein.«
Der junge Mann starrte ihn zornig an, doch er schwieg.
»Ich muss mich um eine äußerst wichtige Angelegenheit kümmern und kann es daher nicht selbst tun«, erklärte Mondino in dem Versuch, einen Streit zu vermeiden. Aber ihm wurde noch im selben Moment klar, dass er genau das Falsche gesagt hatte.
»Es wird alles erledigt, wie Ihr wünscht, Vater«, entgegnete Gabardino dann auch wie erwartet kühl. »Im Gegensatz zu Euch habe ich natürlich nichts Wichtiges zu tun. Wo sind die Zeichnungen?«
»Im oberen Stockwerk, auf dem Tisch meines Arbeitszimmers«, sagte Mondino seufzend. Noch etwas hinzuzufügen war sinnlos. Inzwischen war der Streit ausgebrochen, und jedes weitere Wort hätte die Situation nur noch verschlimmert.
Vielleicht hatte Lorenzas kleine Tochter die Spannung gespürt, die in der Luft lag, denn sie erwachte und begann sofort, so heftig zu brüllen, dass der Korb, in dem sie lag, hin- und herschwankte. Ihre Mutter nahm ein Stück sauberes Leinen, tauchte es in die lauwarme Milch und gab es ihr zum Nuckeln. In der Zwischenzeit hatte Gabardino schon den Raum verlassen.
Mondino hörte seine hastigen Schritte die Treppe hinaufeilen und schüttelte den Kopf. Das war das wirkliche Leben, dachte er. Dort blieb kein Raum für Träume, sondern nur für Taten und Entscheidungen, die zu präzisen Ergebnissen führten. Für sich selbst hatte er schon eine Entscheidung getroffen: Er musste sich so schnell wie möglich des Problems entledigen, das diese Leiche in seiner Schule darstellte.
Er bat Pietro, ihm den kleinen Fuchsbraunen fertig zu machen, den er vor Kurzem erworben hatte. Sobald der Diener das Tier gesattelt und aus dem Stall geführt hatte, stieg Mondino auf und entfernte sich eilig.
Wenn er ritt, beschmutzte er sich zwar nicht die Schuhe, doch bei all den Hindernissen auf seinem Weg entlang der Via San Vitale – Fußgänger, Handwerker, die Hausrat und anderes auf den eigenen Schultern oder auf zwei- oder vierrädrigen Karren beförderten, umherziehende Händler – brauchte er zur Medizinschule in der Gemeinde Sant’Antonino, zwischen der Piazza Maggiore und Porta Nova, fast genauso lange wie zu Fuß.
Er band den Fuchs an einem zu diesem Zweck in die Mauer eingelassenen Eisenring fest, schloss die Tür hinter sich und durchquerte mit schnellen Schritten den leeren Hörsaal. In der Mitte des Raumes, zwischen der ersten Bankreihe und dem Seziertisch aus weißem Marmor, blieb er einen Moment unentschlossen vor dem mit einem Laken bedeckten Sessel stehen. Dann zog er das Tuch mit einer entschiedenen Bewegung fort. Trotz all seiner Vorsätze war er ganz gebannt von der Aussicht, endlich seine Theorie überprüfen zu können, wie Bertrando Lamberti verbrannt war.
Ein kurzer Blick genügte ihm, um seine Vermutung zu bestätigen. Die inneren Organe und sogar einige Knochen waren zu Asche verbrannt, während die Haut an verschiedenen Stellen beinahe unversehrt geblieben war.
»Er ist von innen heraus verbrannt!«, rief er laut aus.
Mondino begann wieder auf und ab zu laufen wie zu Hause, als ihn Gabardinos Erscheinen unterbrochen hatte, und nahm dabei die Holzbänke, das Pult und den Seziertisch in seiner Umgebung fast nicht mehr wahr. Sogar den Leichnam, den Gegenstand seiner Untersuchung, verlor er für den Moment beinahe aus den Augen, da sich seine gesamte Aufmerksamkeit
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