Die Bruderschaft des Feuers
Fenster verlassen, weil er dringend die Latrine aufsuchen musste. Er hat eine schwächelnde Verdauung …« Der Mönch war noch verwirrter als sie von dieser unerwarteten Entdeckung, und er war offensichtlich krampfhaft bemüht, eine Erklärung zu finden, die zu dem Bild passte, das er von seinem Prior hatte.
»Wie Ihr seht, ist das Fenster geschlossen«, sagte Mondino. »Der Prior hat den Raum durch die Tür verlassen, aber er hat ihn noch sorgfältig abgeschlossen. So verhält sich niemand, der dringend zur Latrine laufen muss.«
»Wohin kann er gegangen sein?«, fragte Gabardino.
»Das weiß ich nicht. Ich …« Der arme Mönch rang verzweifelt die Hände und wusste nicht, was er tun sollte.
»Gibt es einen Platz im Kloster, wo man leicht einen Brand legen könnte?«, fragte Mondino.
»Einen Brand? Die Bibliothek im oberen Stockwerk natürlich, aber ich begreife nicht …«
»Führt uns zur Bibliothek. Auf der Stelle.«
Sein Befehlston machte dem armen Mann Beine, noch bevor er selbst sich entschlossen hatte, ihm zu gehorchen. Sie kehrten ins Refektorium zurück, in dem die Mönche sich versammelt hatten und erregt miteinander flüsterten. Einige fragten sich, weshalb man ihnen, während die ganze Stadt in Aufruhr war, nicht erlaubt hatte, ebenfalls zu helfen.
»Füllt Eimer mit Wasser!«, rief Gerardo im Vorbeigehen. »Und kommt damit hinauf in die Bibliothek!«
Die Mönche setzten sich sogleich in Bewegung, froh darüber, eine Aufgabe zu haben. Der Bruder, der sie geführt hatte, wandte sich an Mondino, ohne seinen Schritt zu verlangsamen. »Wollt Ihr mir endlich erklären, was hier vor sich geht?«, fragte er. »Warum glaubt Ihr, dass es hier brennen wird?«
»Das werde ich Euch alles erklären, sobald wir den Pater Prior gefunden haben«, antwortete Mondino. »Ich verspreche es Euch. Aber lasst uns jetzt keine Zeit verlieren.«
Während sie die Stufen hinaufeilten, versuchte er sich vorzustellen, welche Erklärung er ihm geben könnte, falls sie den Prior jetzt mit einem Buch in der Hand lesend antreffen würden, weil er nicht schlafen konnte. Der Mönch vor ihnen wollte anklopfen, doch Gerardo stieß ihn beiseite, riss die Tür auf und ging, ohne zu zögern, hinein.
Ihnen bot sich ein überraschender Anblick. Ein großer Haufen Bücher war in der Mitte des Skriptoriums aufgestapelt, darüber lagen ein paar umgedrehte Schemel. Um den Stapel hatte jemand die Pulte mit den geneigten Schreibflächen gerückt, an denen die Mönche die Bücher kopierten. Neben dieser Art Scheiterhaufen stand Pater Benedetto, er hatte einen dicken Lederschlauch unter den Arm geklemmt, aus dem eine Kupferröhre ragte, und hielt in der anderen Hand eine Fackel.
»Zu spät«, sagte er. Er hielt die Fackel an die Öffnung der Röhre, drückte den Schlauch mit dem Ellbogen zusammen wie eine Sackpfeife und spritzte eine schwärzliche Masse in ihre Richtung, die sich beim Kontakt mit der Fackel sofort entzündete. Gerardo warf sich schnell genug zur Seite, der Feuerstrahl traf den Mönch hinter ihm mitten auf der Brust und setzte seine Kutte in Flammen. Schreiend taumelte der Mann zurück, und kaum war er aus dem Raum, traf er auf zwei Novizen, die große Wassereimer die Stufen hinaufschleppten. Der Erste leerte geistesgegenwärtig sofort einen über ihm aus, doch anstatt zu verlöschen, schlugen die Flammen nur noch höher. Der Mann sank unter furchtbaren Schreien auf dem Boden zusammen. Mondino wollte sich schon auf ihn stürzen und ihm die Kutte herunterreißen, als der zweite Novize dem Mönch ebenfalls seinen Wassereimer überschüttete und dadurch die Flammen so hochschlugen, dass sie selbst Mondino und Gerardo zu erfassen drohten. Der Mönch schrie noch einmal auf, dann rührte er sich nicht mehr.
Weitere Mönche kamen hinzu. Jemand rief, der Teufel sei in das Kloster gekommen, und kurz darauf verwandelte sich der Flur in ein Chaos aus Schreien und Lärm. Doch dann ließen eine glühend heiße Stichflamme und der starke Geruch nach verbranntem Pergament sie den sterbenden Mönch auf dem Boden vergessen.
Mondino wandte sich wieder der Bibliothek zu. Pater Benedetto, der Mann, den er als ewig fröstelnden Mönch mittleren Alters kannte, sah wirklich aus wie ein Teufel mit diesem wahnsinnigen Blick und dem Gesicht, das von einem unangemessenen Grinsen zu einer Fratze verzerrt wurde. Er hatte jetzt die Brandmischung auf den Stapel aus Büchern und Papieren verteilt, und diese hatten sofort Feuer gefangen.
»Kommt nicht
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