Die Bruderschaft des Feuers
vorsichtig der Türöffnung und erblickte in dem Raum genau das, was er befürchtet hatte. Der junge Lanfranco hatte sich in eine menschliche Fackel verwandelt und wand sich brüllend auf dem Boden.
»Du bist ein würdiger Sohn«, sagte der Pater zu ihm. »Wir sehen uns im Paradies wieder.«
Mit einem Sprung zog er sich hinter den Stapel aus Büchern und Möbelstücken zurück, die inzwischen lichterloh brannten. Im Raum konnte man kaum noch atmen, aber ihm schien dies nichts auszumachen.
»Ihr werdet jetzt Zeugen eines großen Wunders«, rief er. »Möge es dazu dienen, dass ihr bereut!«
Er hatte sich Mondino zugewandt, doch der Arzt hatte den Eindruck, dass er ihn nicht wahrnahm. Sein Blick war der eines Verrückten, der vollkommen von seinem Wahnsinn besessen war. Der Pater öffnete den Mund und brachte einen Ton heraus, der halb Gesang, halb Klagelaut war. Seine Stimme war ein wenig belegt und rau, aber dennoch kräftig. Mondino fühlte sich auf eine seltsame Weise davon angezogen und wagte nicht, sich zu rühren. Außerdem war der Pater hinter dieser Feuerwand inzwischen unerreichbar geworden. Er hielt immer noch den Schlauch und die Fackel in den Händen, doch es war nicht das Griechische Feuer, das ihm den Tod brachte.
Plötzlich meinte Mondino, trotz des Chaos aus Rauch und Feuer in der Bibliothek zu beobachten, wie aus Pater Benedettos Mund, als er sich die Fackel an die Lippen führte, Feuerzungen schlugen und er ohne einen Klagelaut zu brennen begann, eine Flamme inmitten der Flammen.
Erst als er sah, wie der Mönch auf dem Boden zusammensank, riss er einem Bruder, der hinter ihm stand, eine in Wasser getränkte Decke aus der Hand und rannte auf den Pater zu. Er trat den Schlauch in Richtung Tür, damit die Flammen nicht auf ihn übergriffen, und schrie gleichzeitig, dass man den Bücherhaufen jetzt mit Wasser löschen könne. Dann gab er sich einen Ruck, warf sich über den innerlich vom Feuer verzehrten Körper und versuchte, die züngelnden Flammen mit der nassen Decke zu löschen. Als ihm dies gelang, war Pater Benedetto jedoch schon tot. Unter seiner Kutte entdeckte Mondino die Überreste eines verkohlten Buches. Beim ersten Versuch, es zu öffnen, zerfiel es in seinen Händen.
EPILOG
M ondino lief mit einem Strauß Schneeglöckchen in der Hand die Via San Vitale entlang. Er hatte sie zu einem ganz bestimmten Zweck bei einer Frau an der Straßenecke gekauft und sich dann gleich auf den Weg gemacht, bevor er zu lange überlegen und seine Meinung ändern konnte.
An diesem Nachmittag sah Bologna noch trostloser aus, trotz oder vielleicht gerade wegen des blauen Himmels. Nach so viel Schnee und Regen wirkte das bleiche Licht der Wintersonne besonders hell und kräftig und betonte alle Schäden noch, die die Brände angerichtet hatten. Die Via San Vitale war vom Feuer eher verschont geblieben, aber hier und da bezeugten eingestürzte Mauern und verkohlte Balken, welcher Gefahr die ganze Stadt ausgesetzt gewesen war. Es hatte zahlreiche Tote und Verletzte gegeben, aber dies war nichts im Vergleich zu dem, was wohl geschehen wäre, wenn der Plan der Mithrasjünger ungehindert aufgegangen wäre.
Mondino stand ein schmales Lächeln auf dem Gesicht, er war halb erstaunt, halb zufrieden über sein Vorhaben. Der Gedanke war ihm auch dank des Bechers Roten aus der Toskana gekommen, den er zum Mittagessen getrunken hatte. Der Wein, den Liuzzo von seiner Reise mitgebracht hatte, war stärker gewesen als gedacht, aber anstatt bei ihm diese wohltuende Schläfrigkeit auszulösen, nach der es ihn verlangte, hatte er seine Unruhe nur noch gesteigert, bis er sich schließlich bei allen entschuldigt und das Haus verlassen hatte, um einen Spaziergang zu machen.
Das neue Jahr hatte schlecht begonnen. Nachdem die Brände gelöscht waren, hatten sich die Einwohner Bolognas tatkräftig an den Wiederaufbau gemacht, aber die Unzufriedenheit über die ständig steigenden Preise für Getreide und Wein wuchs weiterhin, besonders bei den vielen Menschen in den Armenvierteln, die obdachlos geworden waren.
Mondino hatte sein Möglichstes getan und tagelang mit Gabardinos Hilfe kostenlos Kranke und Verletzte behandelt. Als die Notlage vorbei war, hatte er beschlossen, die Wiedereröffnung der Medizinschule auf die Zeit nach Epiphanias zu verschieben, und sich eine ganze Woche frei genommen, die er der Erholung und seiner Familie widmen wollte.
Das war keine gute Idee gewesen.
Die Muße hatte seine Unruhe nur noch
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