Die Bruderschaft vom Heiligen Gral 01 - Der Fall von Akkon
Grabstellen von Gralshütern! Seht euch das an! Man hat sie mit ihrem Schwert zur letzten Ruhe gebettet! Und die Schwerter tragen am Knauf und an den Enden der Parierstange alle das Zeichen der fünfblättrigen Rose!« »Dann dürfte die leere Nische wohl für den Abbé bestimmt sein«, mutmaßte Gerolt. »Schaurig, hier in so einer Felsnische bis zum Jüngsten Tag zu liegen!«, murmelte Maurice. »Auch nicht viel schauriger, als in der Erde von Würmern und anderem Getier aufgefressen zu werden«, meinte McIvor ungerührt. »Asche zu Asche, Staub zu Staub, mein Freund. Und hier unten bleibt zumindest das Gebein noch Jahrhunderte erhalten, wie du siehst.« »Und bei dir auch noch die hübsche Augenklappe«, fügte Tarik spöttisch hinzu. »Nur kein Neid, Kleiner«, erwiderte der Schotte mit breitem Grin sen und schlug ihm auf die Schulter. »Und jetzt lasst uns so schnell wie möglich aus dem felsigen Gedärm von Akkon herausfinden und auf das Schiff dieses Nikos Patrikios kommen!« »Der Abbé hat gesagt, dass wir immer dem Wasser folgen sollen und das rauscht dahinten an der Wand entlang«, sagte Gerolt und deutete nach rechts den Gang hinunter. McIvor ging mit der Fackel vorweg. Der natürliche Felsengang führte leicht abwärts. Nach gut zwanzig Schritten erreichten sie die Stelle, wo das Wasser in einem kräftigen Strahl aus einer Fels-spalte rauschte und in seinem gut zwei Fuß breiten, selbst geschaffenen Bett in Form einer unregelmäßigen Felsrinne abfloss. Sie folgten dem unterirdischen Bach, der zusammen mit dem Gang zahlreiche Windungen vollführte. Mehrmals gelangten sie zu größeren, höhlenartigen Ausbuchtungen, von denen andere Gänge und Spalten in das Labyrinth der Katakomben abzweigten. Und überall stießen sie auf Nischen mit dem Gebein von Christen, die in den Jahrhunderten der Verfolgung hier tief unter der Erde Zuflucht gesucht, Gottesdienst gefeiert und ihre Toten bestattet hatten. An den Wänden zwischen den Nischen hatten die Gläubigen christliche Symbole und primitive Zeichnungen hinterlassen, aber auch viele Namen und an manchen Stellen sogar längere Texte, die in unterschiedlichen Sprachen abgefasst waren. Zu seinem Erstaunen konnte Gerolt die in den Fels geritzten Texte ohne Schwierigkeit entziffern, obwohl einige auf Latein und Aramäisch, andere auf Griechisch und Persisch verfasst waren – und er wusste auch, wie die Worte auszusprechen waren und welche ihnen in der fremden Sprache folgten. Denn bei diesen Zeilen im Fels handelte es sich um Stellen aus dem Evangelium. Er besaß also tatsächlich die Gabe, fremde Sprachen wie seine eigene Muttersprache zu verstehen und zu sprechen!
Auch Maurice, Tarik und McIvor machten diese verblüffende Ent deckung. Mehrmals blieben sie kurz stehen, um im Licht der Fa ckel festzustellen, um welche Stelle aus dem Evangelium es sich gerade handelte und in welcher Sprache der Text geschrieben war. »Das hier ist Griechisch!«, rief Tarik und las vor, was dort in die Wand eingeritzt geschrieben stand: »Der Himmel und die Erde wer den vergehen, meine Worte aber werden nicht vergehen. Das ist aus dem Lukas-Evangelium!« »Und hier steht in persischen Schriftzeichen etwas aus dem Evan gelium des Matthäus, das ich so leicht lesen kann, als wäre es in meiner Muttersprache geschrieben!«, sagte McIvor aufgeregt. »Es ist Jesu Aufruf zur Nachfolge. Wer mir nachfolgen will, verleugne sich selbst und nehme sein Kreuz auf sich und folge mir. Denn wer sein Leben retten will, der wird es verlieren. Wer aber sein Leben verliert um mei netwillen, der wird es finden. Der Menschensohn wird kommen in der Herrlichkeit seines Vaters mit seinen Engeln und einem jeden vergelten nach seinem Tun.« Er schüttelte den Kopf. »Ich spreche Persisch! Unglaublich! Es ist so, wie der Abbé gesagt hat! Wir können in fremden Zungen reden und lesen!« »Und wenn die Gnadengaben, mit denen uns der Heilige Geist ge segnet hat, sich eines fernen Tages in uns entfaltet haben, wer den wir noch viel unglaublichere Dinge tun können als das«, mur melte Gerolt. Schweigend setzten sie ihren Weg durch das Labyrinth der Kata komben fort. Der Gang mit dem Wasserlauf wurde allmählich en ger, sodass sie nicht mehr zu zweit nebeneinander gehen konn ten. Auch rückte die Decke immer näher. Und schon bald sah Mc-Ivor sich gezwungen, den Kopf einzuziehen und den Rücken zu krümmen, um nicht anzustoßen, überragte er sie doch alle um Haupteslänge.
»Wie lange führt dieser verdammte
Weitere Kostenlose Bücher