Die Bruderschaft vom Heiligen Gral 01 - Der Fall von Akkon
Gang denn noch abwärts!«, fragte Maurice und brach damit das Schweigen, als es wieder ein mal recht steil nach unten ging. »Eine gute Frage«, pflichtete ihm Gerolt bei. »Allein das Heiligtum liegt doch bestimmt schon über fünfzig Ellen tief unter dem Montjoie. Und jetzt dürften noch weitere zwanzig Ellen hinzuge kommen sein!« »Wasser fließt nun mal nicht bergwärts«, sagte Tarik mit einem gleichmütigen Achselzucken. »Irgendwann wird es schon in der Felsspalte verschwinden, von der Abbé Villard gesprochen hat, und dort führt der Weg auch wieder aufwärts.« »Ja, über eine Strickleiter, die dort bestimmt schon wer weiß wie lange herabhängt«, erinnerte Maurice seine Gefährten mit düste rer Vorahnung. »Und wenn ich etwas aus tiefster Seele hasse, dann solche Klettereien!« Der Gang, der inzwischen gerade noch einer Person Platz bot und nun vom Wasserlauf fast völlig eingenommen wurde, sodass sie teilweise darin waten mussten, vollführte kurz darauf einen fast halbkreisförmigen Bogen nach rechts. »Hier ist es!«, rief McIvor Augenblicke später von vorn. »Allmäch tiger, da steht uns ja was bevor! Passt bloß auf, dass ihr euch nicht zu weit vorwagt!« Vorsichtig traten Gerolt, Maurice und Tarik aus dem Gang und blieben neben McIvor stehen. Maurice stieß einen gequälten Laut aus. »Ich habe es geahnt!«, stöhnte er. Tarik lachte kurz auf. »Ein weiser Sufi würde jetzt wohl sagen: Es besteht kein Grund zur Angst. Angst ist eine Vorstellung, die dich blockiert – so wie ein Riegel die Tür versperrt. Brenne diese Schranke in deinem Geist nieder und du wirst obsiegen!«
»Eine solide Treppe wäre mir jetzt lieber«, brummte Maurice bissig. »Aber es dürften gern auch ein Paar Flügel sein!« »Sanfte Katze, wenn du Flügel hättest, gäbe es keine Spatzen mehr in der Welt«, spottete Tarik. Der Gang hinter der Biegung hatte sie in eine schmale Höhle geführt, die sich bei näherer Begutachtung als ein gewaltiger Schacht im Felsgestein herausstellte. Drei Schritte vor ihnen stürzte der Bach in einen tiefen Felsspalt, wurde zu einem laut rauschenden Wasserfall. Der Felsspalt vor ihnen klaffte gute fünf Schritte breit. Zwei Balken überbrückten den Abgrund, dessen Grund im Schein der Fackel nicht auszumachen war. Über diesen schmalen Steg gelangte man auf den Felsvorsprung auf der anderen Seite hinüber. Von dort führte eine Strickleiter senkrecht in die Höhe. Das Ende der Strickleiter befand sich in schwindelnder Höhe und war trotz des Feuerscheins der Fackel bestenfalls zu erahnen. »Und da sollen wir hoch?«, murmelte Maurice bestürzt. »Heilige Muttergottes, stehe uns bei!« Auch Gerolt musste erst einmal tief Luft holen. »Ich würde jetzt gern wissen, wie lange die Strickleiter da schon hängt«, gestand Tarik leise. »Hoffentlich nur ein paar Jahre und nicht Jahrzehnte!« McIvor zuckte die Achseln. »Mir gefällt es auch nicht. Aber man kann nicht gleichzeitig das Ei und den Eierkuchen haben, wie meine selige Mutter zu sagen pflegte. Also, wenn wir hier herauskommen wollen, wird uns gar nichts anderes übrig bleiben, als unser Leben dieser Strickleiter da drüben anzuvertrauen. Gut, dass wir Helme und Kettenhemden zurückgelassen haben!« »Dann liegt es ja wohl an mir, als Erster den Aufstieg zu wagen und festzustellen, ob die Stricke halten«, sagte Tarik tapfer und verzog das Gesicht zu einer Grimasse. »Nicht dass ich mich nach dieser Ehre dränge, aber ich bin nun mal unbestritten der Leichteste von uns allen!« Seine Gefährten mussten einräumen, dass es wirklich keiner weiteren Überlegung bedurfte, wer von ihnen den Anfang machen sollte. Denn trugen die Stricke nicht einmal Tariks Gewicht, hatten alle anderen erst recht keine Chance, die Felswand auf dieser Leiter zu überwinden. Den Heiligen Gral wollte Tarik jedoch nicht mitnehmen. Rissen die Seile und stürzte er in die Tiefe, blieb den anderen noch immer die Möglichkeit, zum Abbé zurückzukehren. »Wenn ich sicher oben angekommen bin, bindet ihr den Beutel mit dem Ebenholzwürfel an die Strickleiter und ich ziehe sie dann hoch«, schlug Tarik vor. »Und so sollten wir auch mit den Schwertern verfahren«, fügte Gerolt hinzu. »Unsere Waffen bringen nämlich einiges an Gewicht auf die Waage.« Tarik löste seinen Gürtel, reichte sein Schwertgehänge Maurice und begab sich ohne ein weiteres Wort auf den schmalen Steg. Ohne in die Tiefe zu blicken, balancierte er über den Balkengrat, erreichte sicheren Fußes den
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