Die Bruderschaft vom Heiligen Gral 01 - Der Fall von Akkon
ihm leiten zu lassen. Achtet in Zeiten großer Gefahr auf den weißen Greif. Wenn die heiligen Kräfte der zweiten Weihe in euch zur Entfaltung gekommen sind und ihr sie beherrscht, wie es einem Gralshüter möglich ist, kann er zu eurem Ohr und eurem Auge werden.« »Sprecht Ihr von dem weißen Greif, der über uns kreiste, als Tarik und ich die Gesandten zum Sultan begleitet haben?«, fragte Gerolt aufgeregt. »Habt Ihr ihn uns geschickt?« Abbé Villard nickte. »Ja, von diesem weißen Greif spreche ich. Aber keiner von uns hat Macht über ihn und nicht einmal ich kann euch nach zweihundert Jahren als Gralshüter erklären, was oder wer er wirklich ist und was genau sein Erscheinen und seinen Bei stand bewirkt. Ich nenne ihn das Auge Gottes, weil er mir oft bei göttlichen Offenbarungen erschienen ist und mir in Zeiten großer Bedrängnis immer wieder Bilder und . . .«, er stockte kurz, ». . . ja, und Visionen gezeigt hat, die ich mit meinen Augen niemals hätte sehen können. Aber vermutlich wird es Jahre dauern, bis ihr so weit seid, um ähnliche Erfahrung mit ihm zu machen.« Gerolt hätte dem Abbé gern noch weitere Fragen zu dem geheimnisvollen weißen Greif gestellt, den er das Auge Gottes nannte, aber in dem Moment trat Bismillah zwischen den Säulen hervor. Er hielt eine gut ziegelsteingroße goldene Schatulle in seinen Händen. »Die Ebbe hat gleich ihren tiefsten Stand erreicht, Abbé.« »Gut, dass du mich daran erinnerst, Bismillah«, sagte der alte Gralshüter und nahm die goldene Schatulle entgegen. Dann wandte er sich wieder den vier jungen Rittern zu. »Es wird Zeit, dass ihr den heiligen Kelch an euch nehmt und euch auf den Weg macht. Das Boot dürfte jetzt schon auf euch warten.« »Was für ein Boot?«, fragte Tarik. »Und wo soll es auf uns warten?« Er war so gespannt wie seine Freunde, wie sie mit dem Heiligen Gral unbemerkt von den Iskaris aus dem unterirdischen Hei ligtum wieder herauskommen sollten. »Das Beiboot, das euch zur Calatrava bringt. Die zyprische Galee re des Nikos Patrikios, dem ihr Vertrauen schenken könnt, liegt zwischen dem Turm der Fliegen und der südöstlichen Felsenspitze von Akkon auf Reede und wartet darauf, euch an Bord zu neh men und nach Zypern zu bringen. Eure Passage ist schon bezahlt, Nikos Patrikios hat einen wahrhaft fürstlichen Lohn für seinen Dienst eingestrichen«, teilte der Abbé ihnen mit, während er die Schatulle aufklappte. »Die Calatrava ist eine schnelle Galeere, wenn auch leider keine Kriegsgaleere mit starker Bewaffnung. In Famagusta sollte euch der Komtur des dortigen Tempels eine Passage auf einer unserer Templergaleeren nach Frankreich verschaffen können. Ich gebe euch ein entsprechendes Schreiben des Großmeisters mit. Aber da niemand weiß, wie lange ihr unterwegs sein werdet, welche Route ihr letztlich einschlagen müsst und was euch die Zukunft an Prüfungen bringt, gebe ich euch noch das hier mit.« Und damit entnahm er der Schatulle, die auch das versiegelte Schreiben des Großmeisters enthielt, vier zusammengerollte Bänder aus schwarzer Seide. Sie waren gut zwei Finger breit und besaßen an ihren Enden jeweils drei dicht geflochtene Schnüre. Unter der Seide zeichneten sich bei genauerem Hinsehen in unregelmäßigen Abständen die unterschiedlich geformten Umrisse von kleinen Objekten ab, die in die doppelseitigen Seidenbänder eingearbeitet waren. »Was soll das sein?«, fragte McIvor verwundert. »Das sind kostbare Seidengürtel, die ihr versteckt unter eurer Kleidung tragen müsst«, erklärte ihnen Abbé Villard und reichte jedem einen solchen Gürtel. »Man sieht es ihnen nicht an, aber sie sind recht schwer und wiegen gute vier Pfund. Und ebenso wenig sieht man ihnen an, dass sich in den zugenähten Taschen eines jeden Gürtels ein kleines Vermögen in Smaragden, Rubinen und Goldmünzen verbirgt. Das Gewicht kommt von den acht Goldstücken.« »Aber seit wann haben Dukaten ein solches Gewicht?«, fragte Gerolt, der seinen Seidengürtel in der Hand wog. Abbé Villard lächelte. »Es handelt es sich bei den Goldstücken nicht um gewöhnliche Goldmünzen, die ja bekanntlich nur einen sehr geringen Anteil an dem kostbaren Edelmetall aufweisen. Was ich euch mitgebe, ist byzantinisches Kaisergold. Also reines Gold zu fünfeckigen Stücken gegossen, das auch Händler-und Reisegold genannt wird, weil es den Kaufleuten erspart, auf langen Reisen Kisten voller Münzen mitzuschleppen. Dagegen lassen sich einige Stücke Kaisergold
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