Die Bruderschaft vom Heiligen Gral 01 - Der Fall von Akkon
Gang hinein auf. »Drückt die Tür gleich von innen zu, dann rastet der Verschlussmechanismus wieder ein. Und dann folgt immer dem Verlauf des abfließenden Wassers. Es gibt zwar einen kürzeren Weg, aber so lauft ihr nicht Gefahr, euch in den labyrinthischen Verzweigungen der Katakomben zu verirren. Eine Fackel reicht für die Wegstrecke völlig aus, aber ich gebe euch für alle Fälle noch eine Ersatzfackel und zwei Kerzen mit.« Sie nickten stumm. »Dort, wo der unterirdische Wasserlauf endet und in einer tiefen Felsspalte verschwindet, klettert ihr die Strickleiter hoch«, fuhr der alte Gralshüter fort. Inzwischen war Bismillah mit einer brennenden Pechfackel zu ihnen getreten. Eine zweite, noch nicht entzündete Fackel hatte er sich unter den Arm geklemmt. Zudem brachte er zwei kurze, aber dicke Kerzen und eine kleine Blechdose, die ein Stück Stahl sowie Feuerstein und Zunder enthielt. »Hinter dem Aufstieg kann man nicht mehr in die Irre gehen und dann ist es auch bloß noch ein kurzes Stück bis zum Ausgang«, erklärte Abbé Villard. »Die Öffnung am Meer liegt unter einem Felsüberhang und ist nur bei tiefstem Ebbestand nicht von Wasser überflutet. Achtet auf die drei primitiven Stufen im Gestein, die zu einer Art von Sockel hinunterführen! Aber gebt acht, sie liegen nicht sehr nah beieinander und können glitschig sein! Wenn ihr dort seid, schwenkt eure Fackel dreimal im Kreis! Das ist das ver einbarte Zeichen und dann wird das Beiboot der Calatrava zu euch kommen und euch auf das Schiff bringen. Wiederholt das Zeichen in Abständen so lange, bis ihr seht, dass ein Boot auf euch zuhält. Und jetzt lasst uns rasch und ohne viele Worte von einander Abschied nehmen!« Ihnen allen saß ein dicker Kloß starker innerer Rührung im Hals, als der alte Gralshüter sie der Reihe nach kurz umarmte und ihnen seinen Segen gab. Dann drückte er McIvor die brennende Fackel in die Hand, reichte Maurice Kerzen, Ersatzfackeln und Blechdose und forderte sie geradezu schroff auf: »Geht jetzt! Erweist euch der Weihe, die euch zu Hütern des Heiligen Grals gemacht hat, auf jedem Schritt eures langen Weges als würdig!«
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Gerolt trat als Letzter durch die Tür in den Gang de r Katakomben. Bevor er die Geheimtür schloss und de r Riegel mit einem lauten Klacken einrastete, erhaschte er noch einen letzten Blick auf Bismillah und Abbé Villard. Das rissige, zerfurchte Gesicht kam ihm in diesem Moment erschütternd greisenhaft und unendlich müde vor. Es schien, als würde jetzt, wo er nicht länger über den Heiligen Gral zu wachen hatte und die erdrückende Verantwortung unwiderruflich in den Händen einer neuen Generation von Gralshütern lag, sein biblisches Alter von über zweihundertdreißig Jahren in seinen Zügen erst richtig zum Ausdruck kommen. Wortlos hob der einsame alte Mann die Hand zu einem stummen Gruß, als ihre Blicke sich ein letztes Mal trafen. Dann schloss die Mosaiktür den Spalt zwischen Tür und Felswand. »Ich könnte mir reizvollere Orte als diese unterirdischen Gänge und Höhlen vorstellen, um beerdigt zu werden«, murmelte Maurice neben ihm. »Wie Brot aussieht, hängt davon ab, ob du satt oder hungrig bist«, erwiderte Tarik trocken. Erst jetzt sah Gerolt sich in dem Gang um, der sich sowohl nach rechts wie nach links erstreckte. Seine Breite betrug an dieser Stelle etwa fünf bis sechs Schritte, und wollte man die zerklüftete Decke mit den Fingerspitzen erreichen, musste man sich schon ordentlich strecken. Das Gestein war dunkel und an zahlreichen Stellen rauchgeschwärzt. Der Feuerschein der Fackel fiel zu bei den Seiten auf unterschiedlich große Nischen im Fels, die mit Totenschädeln und Gebein gefüllt waren und über die nun der Flammenschein tanzte. Leere Augenhöhlen starrten sie an. Fast genau gegenüber der Geheimtür hatte man vier identisch schmale Nischen übereinander aus dem Fels geschlagen. Sie waren mannslang, maßen in ihrer Höhe aber nur eine halbe Elle. Drei dieser Nischen waren belegt. Jedoch nicht mit aufeinandergeschichteten Schädeln und Knochen, sondern in jeder dieser Nischen fand sich nur ein einziges Skelett. Die Arme der Toten waren über der Brust verschränkt. »McIvor, halt doch mal die Fackel hier herüber!«, rief Tarik gedämpft, während er auf die Wand mit den vier einzelnen Begräbnisstätten zutrat. »Was meint ihr, ob das wohl die letzte Ruhestätte für Gralshüter ist?« Schon im nächsten Moment gab er selbst die Antwort. »Ja, das sind
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