Die Bruderschaft vom Heiligen Gral 01 - Der Fall von Akkon
Winden aufgewühlt wurde. Über die tief hängende, unheilvoll dräuende Wolkendecke irrte der rote Widerschein zahlloser Brände, die mittlerweile überall in Akkon lo derten. Dem wilden Feuerschein nach musste die halbe Stadt in Flammen stehen. Ihr Augenmerk galt jedoch den Schiffen, die vor Akkon vor Anker lagen, und der Suche nach dem Beiboot der Calatrava von Kapitän Nikos Patrikios. Sie konnten ein gutes Dutzend Handelsgaleeren unterschiedlicher Größe ausmachen, die im kabeligen Wellen gang an ihren Ankertauen zerrten, als könnten sie es nicht erwarten, endlich von hier fortzukommen und sichere Gewässer anzusteuern. Zwischen ihnen wimmelte es von kleineren Kauffahrern, Fischerbooten, plumpen Barken und Ruderbooten, die in einem dichten Strom aus dem Hafen der besiegten Stadt flüchteten. Viele waren überladen und lagen gefährlich tief im Wasser. Die seetüchtigen Schiffe unter ihnen beeilten sich, mit hektischem Schlag ihrer Rudermannschaften und von allen verfügbaren Segeln unterstützt, aus diesem chaotischen Gedränge herauskommen und gleich hinter den Untiefen südwestlich vom Turm der Fliegen Kurs auf Zypern zu nehmen. »Kann jemand ein Beiboot ausmachen, das darauf wartet, uns hier abzuholen?«, fragte McIvor und schwenkte die Fackel über seinem Kopf dreimal im Kreis, wie Abbé Villard es ihnen aufgetragen hatte. »Wie denn?«, fragte Maurice zurück. »In diesem Ameisenhaufen?« »Was für ein entsetzlicher Anblick!«, murmelte Tarik betroffen. »All diese Menschen auf der Flucht! Und wie viele von ihnen werden, die Rettung vor Augen, den Tod finden!« Gerolt pflichtete seinem Gefährten in Gedanken bei. Das Chaos, das sich ihren Blicken darbot, war erschütternd. Die Angst saß den Menschen im Nacken, insbesondere denen, die in einer der vielen Barken oder in einem Ruderboot vor den eindringenden Mamelucken geflohen waren. Sie wussten, dass sie ihr Leben nur dann retten konnten, wenn es ihnen gelang, von einem der größeren, seetüchtigen Schiffe aufgenommen zu werden. Aber die Segler und Handelsgaleeren hatten schon längst mehr Passagiere an Bord gelassen, als eigentlich zu verantworten war. Dennoch wurden diese Schiffe von allen Seiten von kleinen Booten bedrängt, deren Insassen darum bettelten und flehten, an Bord kommen zu dürfen. In ihrer Verzweiflung versuchten sie sogar, sich mit Gewalt auf einen dieser Segler zu retten. Dagegen wehrten sich die Seeleute mit brutalen Hieben und sie schreckten auch nicht davor zurück, zu Schwert und Lanze zu greifen, um das Entern des eigenen Schiffes zu verhindern. Blut färbte das Wasser und Leichen trieben zwischen den Schiffen. Mit Entsetzen beobachtete Gerolt, wie eine auslaufende Galeere unter dem schäumenden Ruderschlag ihrer Mannschaft gnadenlos über zwei voll besetzte Ruderboote hinwegpflügte, die sich vor den Bug des Schiffes gelegt hatten. Wie Nussschalen wurden sie vom Rumpf der Galeere unter Wasser gedrückt und die beidseits kraftvoll in die Fluten schneidenden Ruderblätter töteten so manchen Insassen der beiden Boote, als die Überlebenden in unmittelbarer Nähe der Galeere wieder an die Wasseroberfläche gelangten. Erneut ließ McIvor die Fackel über seinem Kopf kreisen. »Da ist es! . . . Das muss es sein!«, rief Maurice im nächsten Augen blick und wies schräg nach rechts über das Wasser. Er täuschte sich nicht. Ein schmales, lang gestrecktes Beiboot, das von vier Seeleuten gerudert wurde, tauchte zwischen zwei größeren Handelsgaleeren auf und hielt geradewegs auf sie zu. »Endlich!« Tarik atmete erleichtert durch. Wenig später legte sich das Beiboot der Calatrava an der Felsen bank längsseits. »Das wurde aber auch Zeit, meine Herren Ritter!«, rief der baumlange, muskulöse Seemann ihnen mürrisch zu, der am Heck an der Ruderpinne saß. »Viel länger hätte mein Kapitän nicht auf Euch gewartet, Templer hin oder her!« »Dein Kapitän ist fürstlich dafür bezahlt worden, dass er auf uns wartet und uns nach Zypern bringt! Wir reisen in wichtiger Mission, Seemann!«, fauchte Maurice ihn an. »Und wer bist du überhaupt, dass du es wagt, so dreist mit Rittern des Templerordens zu spre chen, Bursche?« Und mit einem Satz sprang er zu ihm ins Boot. »Ich bin Leonides Dukas, der Erste Steuermann der Calatrava!«, antwortete der Seemann und reckte stolz das kantige Kinn. »Die Lage ist kritisch, wie Ihr ja wohl sehen könnt, Templer. Wir haben alle Hände voll zu tun, uns der zahllosen Flüchtige zu erwehren, die unser
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