Die Bruderschaft vom Heiligen Gral 01 - Der Fall von Akkon
noch hinzuzufügen: »Und natürlich die Eures geschätzten Vaters und Eurer reizenden kleinen Schwester.« Beatrice war zu einer weiteren Antwort nicht fähig. Erschöpft und als könnte sie den Anblick der im Chaos versinkenden Welt um sie herum nicht länger ertragen, schloss sie die Augen und barg ihren Kopf an der Schulter ihrer Schwester. McIvor stieß Maurice unauffällig den Ellbogen in die Seite. »Lass sie jetzt in Ruhe und spar dir deinen Honig für später auf, Maurice! Siehst du denn nicht, wie erledigt sie ist? Dir bleibt auf der Überfahrt noch Zeit genug, Süßholz zu raspeln!« Maurice errötete verlegen. »Süßholz raspeln? Wer hat denn hier Süßholz geraspelt? Ich habe doch nur versucht, sie zu beruhigen und von dem Schrecken abzulenken, den sie durchgemacht haben. Das war Balsam für eine verstörte, empfindsame Frauenseele, mein Freund!«, verteidigte er sich. »Außerdem weiß ein so grober Klotz wie du doch gar nicht, was Süßholz ist! Du hältst vermutlich schon eine stachlige Moordistel für ein anmutiges Gewächs!« McIvor reagierte gelassen und erwiderte mit einem breiten Grin sen: »Wie gut du mich durchschaut hast, Maurice! Aber du solltest mich nicht für einen hoffnungslosen Fall halten. Denn mit einem so leuchtenden Beispiel wie dir an meiner Seite habe ich bestimmt allerbeste Aussichten, mit der Zeit noch einiges zu lernen. Ich verspreche dir, auch aufmerksam an deinen Lippen zu hängen, wenn du das nächste Mal wieder eine verstörte Frauenseele mit deinem Seelenbalsam beglückst!« Maurice bedachte ihn mit einem erbosten Blick, gab das kurze Wortgefecht jedoch verloren und winkte ungnädig ab. »Ach was, du wirst es nie lernen, du...du Schotte!«, brummte er und wandte ihm den Rücken zu. Vermutlich wäre er am liebsten wütend davongestiefelt, wenn er nicht mit ihnen in einem engen Beiboot gesessen hätte. »Also gut, es war ein bisschen Süßholzraspeln dabei!«, räumte er dann achselzuckend ein und zog eine Grimasse. »Und wennschon? Was kann ein Adler dafür, dass er höher fliegen kann als eine plumpe Gans?« Gerolt legte ihm seinen Arm in freundschaftlicher Zuneigung um die Schulter. »Aufplustern können sich beide Vögel ganz ordentlich, aber natürlich haben wir lieber einen stolzen Adler wie dich zum Gefährten! Ohne dich wären wir doch wie ein Karren mit nur drei Rädern! Also, besinnen wir uns auf das, was zählt: Füreinander in fester Treue!«, sagte er und McIvor und Tarik schlossen sich dieser Beteuerung an. Für einen kurzen Moment trat das Entsetzliche, das sich auf dem Wasser und in der Stadt ereignete, in den Hintergrund. Es war gut, sich ihrer Freundschaft zu versichern, so verschieden sie im Wesen auch sein mochten. Um dem heiligen Amt, das sie als Gralsritter übernommen hatten, und den damit einhergehenden Gefahren gewachsen zu sein, war dieser unverbrüchliche Zusammenhalt so notwendig wie die Luft zum Atmen.
Die Calatrava hatte sich indessen schon aus dem gefährlichen Ge wimmel der kleinen Boote gelöst, damit das Anlegemanöver des Beibootes anderen keine Gelegenheit bot, es ihm gleichzutun. Dennoch ließ ihr Kapitän die Ruder auf der Steuerbordseite nur kurz einziehen, damit die vier Templer, die Granvilles und die Seeleute an Bord klettern konnten. Er trieb sie mit harschen Zurufen vom Oberdeck aus zur Eile an. Der Kaufmann und seine beiden Töchter, die noch immer unter Schock standen, bedurften tatkräftiger Hilfe, um auf die Galeere zu kommen. Gerolt stellte mit einem schnellen Blick fest, dass sich unter den Passagieren nur wenige bewaffnete Kreuzfahrer befanden. »Dass Ihr noch drei weitere Passagiere mitbringt, war nicht ausgemacht! Ich habe schon mehr Flüchtlinge aufgenommen, als ich es eigentlich hätte tun dürfen!«, empfing Nikos Patrikios sie mit unverhohlener Verärgerung auf dem heillos überfüllten Ober deck der Calatrava. Der Kapitän war ein stämmiger, sehr gedrun gen wirkender Mann jenseits der vierzig. Ein kurz geschnittener pechschwarzer Vollbart rahmte ein rundliches Gesicht mit energischen Zügen und kleinen dunklen Augen ein. Er trug auf dem Kopf eine kurze, topfrunde Kappe aus seegrünem Samt, die mit goldgestickten, zyprischen Ornamenten verziert war. Eine breite, doppelt um die Hüften gewickelte Schärpe aus demselben Samtstoff schmückte sein safranfarbenes Gewand. Und an seinen ersten Steuermann gewandt, fügte er zornig hinzu: »Hast du vergessen, was ich dir aufgetragen habe, Leonides?« »Ich hatte keine Wahl,
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