Die Bruderschaft vom Heiligen Gral 01 - Der Fall von Akkon
erblicken.
Gerolt fuhr fort: »Ja, ein Hund hatte es auf unserem Bergfried besser als ich, der ich die Tyrannei meines Vaters und meiner beiden älteren Brüder ertragen musste. Als ich mit vierzehn Jahren endlich alt genug war, meiner eigenen Wege zu gehen, da wusste ich sofort, dass ich mich der nächsten Gruppe Kreuzfahrer anschließen und ins Heilige Land ziehen würde. Sosehr ich mich um mein Seelenheil sorgte und ein gottgefälliges Leben führen wollte, sosehr brannte ich doch auch darauf, als Ritter in den Kampf gegen die Ungläubigen zu ziehen. Das Waffenhandwerk hatte mir mein Vater auf seine unnachsichtig harte Art beigebracht und davon verstand er wirklich etwas. Und eines Tages den Mantel der Templer zu tragen und Gott als Kriegermönch zu dienen, war mein innigster Wunsch, solange ich denken kann. So schlug ich mich dann mit einer Gruppe französischer Kreuzfahrer nach Outremer durch, wurde in Tripolis Knappe eines Templers und legte schließlich hier in Akkon vor einem Dreivierteljahr beim Ritterschlag das Ordensgelübde des Templers ab. Das ist alles, was es von mir zu erzählen gibt.« Tarik el-Kharim nickte ihm zu und beide richteten ihre Blicke nun erwartungsvoll auf Maurice. Gerolt hatte von ihm ja schon auf dem Weg ins Genueser Viertel einige Hinweise auf sein recht bewegtes Leben erhalten. Diese hatten seine Neugier erst richtig geweckt und er brannte darauf, mehr darüber zu erfahren. Maurice blickte in die Runde. »Wisst ihr überhaupt, worauf ihr euch einlasst? Nachher beschwert ihr euch, dass euer Seelenheil schweren Schaden genommen hätte, weil ihr euch die beschämenden Irrungen und Wirrungen meines Leben habt anhören müssen, das nun mal reicher an äußerst pikanten Geschichten ist, als ein Straßenköter Flöhe auf seinem Fell sitzen hat! Niemand soll hinterher sagen, er wäre nicht gewarnt worden. Wollt ihr noch immer, dass ich euch mit meiner Lebensbeichte das Blut ins Gesicht treibe?« Tarik el-Kharim und Gerolt grinsten ihn an und antworteten wie aus einem Mund: »Ja! Und jetzt fang endlich an!« Maurice gab einen theatralischen Seufzer von sich. »Ich sehe, der bittere Kelch soll nicht an mir vorübergehen. Also gut, ganz wie ihr wollt!« Er stärkte sich aber erst noch mit einem kräftigen Schluck aus seinem Humpen. Ein wenig Wein rann dabei über den Becherrand, lief ihm über das Kinn und versickerte in dem schmalen Dreieck seines schwarzen Bartes, dessen gleichmäßige, spitz zulaufende Form nicht gerade der Ordensregel entsprach. Er setzte den Humpen ab, wischte sich den Wein vom Kinn und begann zu erzählen. Er hatte nicht zu viel versprochen, seine Lebensgeschichte war eine scheinbar endlose Kette gewalttätiger Auseinandersetzungen schon in früher Jugend mit seinen älteren Brüdern und später dann mit jedem, der ihm auch nur einen schiefen Blick zuwarf oder ein unfreundliches Wort an ihn zu richten wagte. Es war auch ein wilder Reigen ungezügelter Leidenschaften und gefährlicher Liebeshändel, die ihn mehrmals fast das Leben gekostet hätten, sowie wüster Exzesse an Spieltischen, in Spelunken und in Freudenhäusern, ein fast dreijähriger Rausch sündhafter Ausschweifungen. Auf die selbstzerstörerische Maßlosigkeit sinnlicher Vergnügungssucht folgte dann eines Tages, als alles Geld verspielt, vertrunken und verhurt war und sich seine vermeintlichen und von ihm ausgehaltenen Freunde in Luft aufgelöst hatten, der tiefe Sturz in die Verzweiflung, in die Scham, in die qualvolle Selbstzerfleischung und in die immer stärker werdende Angst, vor Gott sein Seelenheil verwirkt zu haben. Schließlich gelangte er nach nächtelangem Gebet in einer Dorfkirche zu der Überzeugung, dass aufrichtige Reue des Herzens allein nicht reichte, sondern dass er für seine vielen Sünden und Verfehlungen tätige Sühne leisten musste – und zwar hinter Klostermauern und für den Rest seines Lebens. Nur so glaubte er, am Tag des Jüngsten Gerichtes vor Gott bestehen und Gnade finden zu können. Aber wie die Erfahrung schnell zeigte, fand er bei den Benediktinermönchen nicht den Seelenfrieden und die große Gewissheit, seine Bestimmung gefunden zu haben, wie er es sich beim Eintritt ins Kloster erhofft hatte. Schon bald geriet er mit seinen Ordensoberen und Mitbrüdern aneinander und begehrte immer mehr gegen das strenge und eintönige Klosterleben auf, das in starkem Gegensatz zu seinem bislang so aktiven Leben und seiner Leidenschaft für die ritterliche Waffenkunst stand. So war es
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