Die Bruderschaft vom Heiligen Gral 01 - Der Fall von Akkon
mich in meiner Bewunderung für weibliche Schönheit dazu habe hinreißen lassen, mich in ein besonders günstiges Licht zu stellen, und...und euren Anteil dabei nicht gebührend gewürdigt zu ha ben!«, sagte er mit einem schiefen Lächeln. »Wie heißt es doch bei den weisen Männern der Wüste: In deinem eigenen Reich suche die verborgene Flamme. Es ist eines Menschen nicht würdig, Licht von anderswo zu borgen«, spottete Tarik el-Kharim. »Manche Schwächen, die einem von Geburt mitgegeben werden, lösen sich nun mal nicht in Luft auf, wenn man ein Ordensgelüb de abgelegt hat«, räumte Maurice kleinlaut und verlegen ein. »Wohl wahr!«, pflichtete Gerolt ihm bei und fand, dass der Spöttereien auf Kosten des Franzosen jetzt genug waren. Deshalb hob er seinen Humpen und schlug fröhlich vor: »Darauf und auf den gemeinsam bestandenen Kampf sollten wir trinken!« Bereitwillig folgte Tarik el-Kharim der Aufforderung und stieß mit ihnen an. »Es ist in der Tat leichter, einen Berg an einem Haar herumzuschleppen, als sich mit eigener Kraft von sich selbst zu befreien.« »Ist das wieder so ein tiefsinniger Spruch aus der Heimat deiner weisen Vorväter?«, fragte Maurice und nutzte geschickt die Gelegenheit, um von sich abzulenken. »Das ist er«, bestätigte Tarik el-Kharim und niemand an ihrem Tisch achtete auf die beiden blinden Turkopolen, die durch die Tür der Schenke kamen und sich hinter ihnen in die dunkle Ecke setzten. »Dann erzähl uns doch mal, wie du zu den Templern gekommen bist«, hakte Maurice sogleich nach: »Natürlich nur, wenn wir dir mit unserer Neugier nicht zu nahe treten.« »Das tut ihr nicht, aber es ist eine etwas längere Geschichte.«
Maurice zuckte die Achseln. »Und wennschon! Der Keller des Griechen ist voll mit Wein, der getrunken werden muss. Wir sind ganz Ohr, Tarik el-Kharim ibn Suleiman al-Bustani!« Maurice goss sich aus dem bauchigen Weinkrug nach und sah ihn erwartungs voll an. »Wo liegt denn nun die Heimat deiner Vorväter, du Ken ner weiser Sprüche aus der Wüste?« Gerolt war nicht weniger gespannt auf die Lebensgeschichte des Levantiners. Auch schmeckte der Wein zu köstlich, um so schnell schon an Aufbruch zu denken. »Sie liegt am Nil in Ägypten«, begann Tarik el-Kharim nicht ohne Stolz. »Ein Großteil der Sippe meines Großvaters stammt aus Al-Qahira und Umgebung.« »Cairo!«, rief Maurice überrascht und stichelte: »Schau an, dann haben wir es ja mit einem Abkömmling des Volks der Pharaonen und Sonnenanbeter zu tun! Sag bloß, in dir fließt auch noch das Blut der Beduinen?« »So ist es und darauf bin ich ganz besonders stolz, sind sie doch auf ihre Art die Ritter der Wüste«, antwortete Tarik el-Kharim. »Nur ge hören meine Vorfahren schon seit Jahrhunderten zum christlichen Teil der Bevölkerung, der einstmals ja die Mehrheit stellte, aber lei der im Laufe der blutigen muslimischen Bekehrungsfeldzüge in den arabischen Ländern immer mehr zu einer Minderheit geworden ist. Doch die Kopten* und auch die romtreuen Christen halten sich trotz brutaler Unterdrückung und Verfolgung noch immer in vielen Teilen Arabiens, wie euch vielleicht bekannt sein dürfte.« Darüber wussten Gerolt und Maurice zwar nur wenig, doch sie begnügten sich mit einem wortlosen Nicken, um sich keine Blöße zu geben.
* Die christlichen Nac hkommen der alten Ägypter, die in ihrer Mehrheit der orthodoxen griechischen Kirche angehören.
Ein Schmunzeln huschte über Tariks Gesicht. »Aber euch interes siert ja wohl eher, wie ein Levantiner wie ich zu dem begehrten Templermantel kam, der eigentlich doch nur den Abkömmlingen edler Ritterfamilien des christlichen Abendlandes vorbehalten ist.« »Stimmt, darauf sind wir besonders gespannt«, gab Maurice zu. »Das Privileg verdanke ich meinem Großvater Said. Er gehörte beim sechsten Kreuzzug zu einer Abteilung ausgesuchter ägyptischer Krieger christlicher Gesinnung, die im Dienst des Königs Ludwig IX. von Frankreich standen«, fuhr Tarik el-Kharim in seiner Erzählung fort. »Als Ludwig der Heilige, wie man ihn auch nennt, mit seinen Truppen im Nildelta landete, um Ägypten niederzuwerfen, zeichne te sich mein Großvater bei der Eroberung von Damietta im Juni 1249 durch besondere Tapferkeit aus. Aber das war erst der Anfang seiner Heldentaten. Und die besondere Gunst des Königs errang er nach der Schlacht um die Stadt Mansurah, als sich das Scheitern des Kreuzzuges schon abzeichnete. Denn als Ludwig im April erkrankte, bei einem
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