Die Bruderschaft vom Heiligen Gral 01 - Der Fall von Akkon
einem Vorsprung der Befestigungsmauer, wo der entkräftete Alte, am ganzen Leib zitternd, auf einen vorspringenden Gesteinsquader sank.
Im nächsten Moment waren Maurice und Tarik bei Gerolt und dem Schatten. Auch sie konnten ihr Glück, dem sicheren Tod noch im letzten Moment entkommen zu sein, ebenso wenig fassen wie das Geschehen, dem sie ihre wundersame Rettung verdankten. Mit verstörten Gesichtern sahen sie sich an, als hofften sie, der andere wüsste eine Erklärung, die dem Verstand einleuchtete. »Was war das?«, stieß Maurice atemlos hervor. McIvor von Conneleagh riss sich den Helm vom Kopf und rückte die eiserne Kappe zurecht, die sich verschoben und seine leere, rechte Augenhöhle halb entblößt hatte. »Fragt mich nicht! So etwas Unglaubliches habe ich noch nie erlebt«, murmelte er. »Es war...«Er brach ab und schüttelte den Kopf, als fehlten ihm die Worte. ». . . ein Wunder!«, vollendete Tarik den Satz für ihn. »Ja, eine andere Erklärung gibt es dafür nicht!«, pflichtete Maurice ihm bei. »Gottes Hand hat uns gerettet!« »Ich weiß nicht«, sagte der Schotte und verzog das Gesicht. »Nicht dass ich daran zweifeln möchte, aber ich gehöre nicht zu denen, die immer gleich von einem Wunder sprechen, wenn etwas passiert, wofür sie keine bessere Erklärung haben.« Gerolt schwieg. »Was soll es denn sonst gewesen sein?«, wollte Maurice wissen. »Wie gesagt, ich weiß es nicht. Aber kann mir einer von euch mal erklären, was dieser Greis und diese beiden Turkopolen da draußen gemacht haben?«, fragte McIvor in die Runde. »Sie müssen nicht ganz bei Verstand gewesen sein! Die Sarazenen hätten sie jeden Augenblick mit Pfeilen spicken können!« »Erklärt mich nicht für verrückt«, sagte Tarik mit einem Zögern in der Stimme, als befürchtete er, sich mit seinen nächsten Worten lächerlich zu machen. »Aber ich hatte den Eindruck, als hätte der alte Templer gebetet . . . und dadurch irgendwie dieses . . . dieses Wunder bewirkt.« Der Schotte bedachte ihn mit einem skeptischen Blick. »Also, das klingt wirklich ein wenig . . . nun ja, weit hergeholt, Tarik. Und vielleicht war es ja nur ein . . . ein halbes Wunder.« »Kannst du mir mal erklären, was ein halbes Wunder ist?«, forderte Maurice ihn auf. McIvor zuckte die Achseln. »Na ja, das Wetter spielt doch in letzter Zeit wirklich verrückt und plötzlich auftretende Windhosen sind in diesem Landstrich nicht gerade eine Seltenheit, ebenso wenig kleinere Erdbeben«, gab er zu bedenken. »Denkt doch nur an unsere Schiffe, die zu Beginn der Belagerung mit an Deck festgezurrten Katapulten eine Weile das Lager der Mamelucken an ihrer Südflanke beschossen und dabei wohl mehr Schaden angerichtet haben als wir heute mit unserem Angriff. Und dann ist plötzlich ein Sturmwind aufgekommen, der unsere Katapultschiffe übel zugerichtet und dem Beschuss von See her ein Ende gesetzt hat! Das müsst ihr dann auch als Wunder und göttliches Zeichen gelten lassen.« Zutiefst verstört von seinen widersprüchlichen Empfindungen und Gedanken, hatte Gerolt bislang geschwiegen. Sein Blick war immer wieder zu dem weißhaarigen Templer hinübergegangen. Nun mischte er sich in das Gespräch ein, indem er vorschlug: »Warum fragen wir unseren alten Ordensbruder nicht einfach, was er da draußen zu suchen hatte?« Verblüfft sahen die drei ihn an. »Ist das dein Ernst?«, fragte Maurice. »Ja«, antwortete Gerolt ebenso schlicht wie entschlossen und löste sich aus der Gruppe seiner Kameraden, um zu dem fremden, greisenhaften Ordensbruder hinüberzugehen. Tarik, Maurice und McIvor wollten sich das nicht entgehen las sen. Sie winkten ihre Knappen heran, damit sie sich um ihre Pferde kümmerten, reichten ihnen auch ihre Helme und schlossen dann schnell zu Gerolt auf. Der weißhaarige Templer hob sein aschfahles, schweißüberströmtes Gesicht, als er die vier Männer auf sich zukommen sah, und seine Gestalt straffte sich auf dem harten Sitzplatz am Mauervorsprung. Gleichzeitig traten die beiden Turkopolen einen Schritt von ihm weg. »Mein Gott, seht euch das an! Die beiden Braunmäntel sind ja blind!«, stieß Maurice mit gedämpfter Stimme hervor. »Nicht zu fassen!«, murmelte McIvor. »Aber wie Blinde haben sie sich doch gar nicht verhalten! Im Gegenteil, sie sind dem Alten zur Seite gesprungen und haben ihn geführt!« »Das wird ja immer merkwürdiger«, kam es verstört von Tarik. Gerolt blieb zwei Schritte vor dem weißhaarigen Tempelbruder stehen und
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