Die Bruderschaft vom Heiligen Gral 01 - Der Fall von Akkon
Entscheidung wie die desjenigen, der die Bürde anzunehmen bereit ist. Und bedenkt eines: Wer erst in die Geheime Bruderschaft der Arimathäer aufgenommen und Hüter des Heiligen Grals geworden ist, auf dessen Schultern liegt ein schweres, heiliges Amt. Der Weg, der ihn erwartet, wird ein langer, beschwerlicher mit zahllosen Prüfungen und Gefahren sein, die unter Umständen sogar einen außergewöhnlich tapferen Templer zerbrechen können. Gebe Gott euch die innere Stärke und die nötige Selbsterkenntnis, um die richtige Entscheidung zu treffen!«
6
Flammenzungen leckten wie feurige Lanzen überall aus den schwarzen Mauern, die ihn von allen Seiten umschlossen und irgendwo in der Schwärze der Nacht in unerreichbar ferner Höhe endeten. Aus diesem runden Schacht gab es kein Entkommen. Die Flammen griffen nach ihm. Und gleichzeitig begannen die Mauern, wie unter einem Erdbeben zu wanken. Risse bildeten sich, fuhren in wild gezackter Bahn durch das Gestein und weiteten sich zu immer größeren Spalten. Brennendes Mauerwerk löste sich aus den Wänden und stürzte ringsherum aus dem feurigen Inferno auf ihn herab. Jetzt konnte ihn nichts mehr davor retten, von den flammenden Trümmern erschlagen und begraben zu werden. Der Tod war unvermeidlich. Gerolt entfloh dem grässlichen Albtraum, indem er erwachte und die Augen aufschlug. Mit einem Ruck setzte er sich auf seiner einfachen Lagerstatt auf und schon im nächsten Augenblick hatten sich die beklemmenden Bilder seines Traumes aufgelöst und waren nicht mehr als eine vage Erinnerung. Er fuhr sich mit der Hand über das Gesicht und spürte kalten Schweiß auf seiner Stirn. Langsam kehrte sein Herz zu seinem ruhigen, gleichmäßigen Rhythmus zurück, als er sich bewusst wurde, dass er nur schlecht geträumt hatte und sich in einem der großen Schlafsäle der Zitadelle von Akkon befand. An die hundert Ordensbrüder hatten hier während der Belagerung einen notdürftigen Schlafplatz gefunden. Entsprechend laut und vielfältig waren auch das Schnar chen und die anderen Geräusche, die den Schlaf der Ritter begleiteten. Gerolt hielt es nicht länger auf seinem Lager. Er wusste, dass er so schnell nicht wieder in den Schlaf finden würde. Und es drängte ihn, ins Freie zu kommen und den kühlen Nachtwind von der See einzuatmen. Denn die Luft im Schlafsaal war stickig und verbraucht. Vorsichtig erhob er sich und zwängte sich an der Bettstelle von Tarik vorbei, der zu seiner linken neben einer Säule schlief. An den beiden Enden des Mittelgangs brannte jeweils eine Nacht-leuchte, deren schwaches Kerzenlicht zwar nicht allzu viel gegen die nächtliche Dunkelheit in diesem Saal auszurichten vermochte. Aber ihr Schein reichte doch aus, um sich orientieren und zwischen den Reihen bewegen zu können, ohne über ein Hindernis zu stolpern und jemanden aus dem Schlaf zu reißen. Als er den Mittelgang erreicht hatte und auf die Tür zuhielt, ging sein Blick sofort zu McIvors Bettstelle hinüber, der das Glück gehabt hatte, einen der besseren Schlafplätze nahe am Hauptgang ergattert zu haben. Seine Decke war jedoch zurückgeschlagen und sein Lager verlassen. Offenbar konnte auch er nicht schlafen. Aber wer hatte in Akkon nach fast vierwöchiger Belagerung und wachsender Hoffnungslosigkeit überhaupt noch einen guten Schlaf? Gerolt rechnete fest damit, den Schotten oben auf der Mauerkrone anzutreffen, von wo aus man einen guten Blick über Akkon und die feindlichen Heerlager hatte. Aber als er auf den oberen Wehrgang hinaustrat, suchte sein Blick vergeblich die hünenhafte Gestalt von McIvor. Dafür stieß er in der nordwestlichen Ecke der Galerie auf Maurice. Dieser wandte nur kurz den Blick, als Gerolt zu ihm an die Zinnen trat. Er zeigte sich nicht überrascht, ihn zu sehen, obwohl es bis zum Anbruch des neuen Tages doch noch einige Stunden hin war. »Konntest du auch keinen Schlaf finden?«, fragte er und richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf das Lager der Mamelucken, die Akkon auch in dieser Nacht wieder heftig unter Beschuss nahmen. Die meisten Geschosse galten den äußeren Wällen, um dort Breschen zu schlagen. Aber die Riesenschleudern schickten doch auch immer wieder einen Feuertopf über die Mauern in die Stadt und legten dort Brände. Gerolt verzog das Gesicht. »Seit uns Abbé Villard in das Geheimnis der Bruderschaft der Arimathäer eingeweiht hat, habe ich keine Nacht mehr ruhig geschlafen.« »Ich auch nicht«, gestand Maurice. »Aber ist das ein Wunder? Wie kann
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