Die Bruderschaft
zu schließen, was sich allerdings als äußerst schwierig erweise.
»Wo ist die Sekretärin?« fragte die Mutter. Ihre Augen waren vom vielen Weinen gerötet.
»Trevor hat sie vor einiger Zeit entlassen, weil er sie beim Stehlen erwischt hat.«
»Oje.«
»Möchten Sie einen Kaffee?«
»Das wäre nett, ja.« Sie setzten sich auf das staubige, bucklige Sofa, während Chap drei Tassen Kaffee aus einer zufällig gerade frisch bereiteten Kanne einschenkte. Er nahm ihnen gegenüber in einem wackligen Korbsessel Platz. Die Mutter war verwirrt, die Tante neugierig. Sie ließ ihren Blick durch den Raum schweifen und suchte nach Anzeichen von Wohlstand. Die beiden waren nicht arm, doch zu Reichtum würden sie es in ihrem Alter nicht mehr bringen.
»Tut mir leid, die Sache mit Trevor«, sagte Chap.
»Es ist schrecklich«, sagte Mrs. Carson. Ihre Unterlippe zitterte, ebenso wie ihre Hand. Sie verschüttete etwas Kaffee auf ihr Kleid, merkte es aber nicht.
»Hatte er viele Mandanten?« fragte Tante Heien.
»Ja, er war sehr beschäftigt. Ein guter Anwalt. Einer der besten, die ich kenne.«
»Und Sie waren sein Sekretär?« fragte Mrs. Carson.
»Nein, ich bin Anwaltsgehilfe. Und abends studiere ich Jura.«
»Kümmern Sie sich auch um den Nachlass?« fragte Tante Heien.
»Eigentlich nicht«, sagte Chap. »Ich hatte gehofft, dass Sie das übernehmen würden.«
»Ach, dafür sind wir zu alt«, sagte Mrs. Carson. »Wie viel Geld hat er hinterlassen?« fragte die Tante.
Chap war auf der Hut. Diese alte Hexe hatte etwas gerochen. »Ich habe keine Ahnung. Mit seinen Geldangelegenheiten hatte ich nichts zu tun.«
»Wer hatte denn dann damit zu tun?«
»Sein Steuerberater wahrscheinlich.«
»Und wer ist das?«
»Ich weiß es nicht. In den meisten Dingen war Trevor sehr verschlossen.«
»Das stimmt«, sagte seine Mutter traurig. »Schon als Junge.« Wieder verschüttete sie Kaffee, diesmal auf das Sofa.
»Aber Sie bezahlen die Rechnungen, oder?« sagte die Tante. »Nein, das hat Trevor immer selbst getan.«
»Also hören Sie, junger Mann, die wollen sechshundert Dollar, um ihn von Jamaika nach Hause zu fliegen.«
»Warum war er überhaupt in Jamaika?« fiel Mrs. Carson ihr ins Wort.
»Er wollte dort einen Kurzurlaub machen.«
»Und sie hat keine sechshundert Dollar«, fuhr Heien fort.
»Doch, hab ich wohl.«
»Na ja, es ist ein bisschen Bargeld da«, sagte Chap. Die Tante sah gleich viel zufriedener aus. »Wie viel?« fragte sie.
»Etwas über neunhundert Dollar. Trevor hatte immer eine ziemlich große Portokasse.«
»Geben Sie sie mir«, verlangte Tante Heien. »Dürfen wir das denn?« fragte Mrs. Carson.
»Sie sollten das Geld lieber nehmen«, sagte Chap ernst. »Sonst geht es in den Nachlass ein, und das würde bedeuten, dass das Finanzamt es kassiert.«
»Was geht außerdem in den Nachlass ein?« wollte Heien wissen.
»Das alles«, sagte Chap, während er zum Empfangstisch ging, und machte eine ausladende Gebärde. Er nahm einen zerknitterten, mit vielen kleinen und großen Geldscheinen voll gestopften Briefumschlag aus einer Schublade, der vor wenigen Minuten vom Haus gegenüber hierher gebracht worden war. Er reichte den Umschlag Heien, die ihn ihm aus der Hand riss und sich sogleich daran machte, das Geld zu zählen.
»Neunhundertzwanzig und ein bisschen Kleingeld«, sagte Chap. »Bei welcher Bank hatte er sein Konto?« fragte Heien.
»Ich habe keine Ahnung. Wie ich schon sagte: Er war in Geldangelegenheiten sehr eigen.« Und das war nicht gelogen. Trevor hatte die 900000 Dollar von den Bahamas auf die Bermudas überwiesen, und dort verlor sich die Spur. Das Geld befand sich jetzt auf irgendeinem Nummernkonto, über das nur Trevor Carson verfügen konnte. Man wusste, dass er nach Grand Cayman hatte fahren wollen, doch die Banken dort waren berühmt für ihre Diskretion. Zwei Tage intensiver Recherchen hatten nichts zutage gebracht. Der Mörder hatte Trevors Brieftasche und Zimmerschlüssel an sich genommen, und noch während die Polizei mit der Spurensicherung am Tatort beschäftigt gewesen war, hatte er das Hotelzimmer gründlich durchsucht. In einer Schublade hatte er 8000 Dollar in bar gefunden, aber auf weitere Hinweise war er nicht gestoßen. Niemand wusste, wohin Trevor das Geld verschoben hatte.
In Langley war man zu der Erkenntnis gelangt, dass Trevor aus irgendeinem Grund den Verdacht gehabt hatte, er werde beschattet: Der größte Teil des Bargelds war verschwunden -möglicherweise in
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