Die Bruderschaft
schicken.«
Das war ein unnötiger Sarkasmus. Argrow sah ihn wütend an, ging aber nicht weiter darauf ein. »Gut, dann sagt mir, wie ich die Erklärung von hier auf die Bahamas schicken kann. Wie habt ihr das bisher gemacht?«
»Das hat immer unser Anwalt erledigt«, sagte Yarber. »Alle andere Post wird kontrolliert.«
»Und wie genau werden anwaltliche Schriftstücke kontrolliert?«
»Sie werfen einen kurzen Blick darauf«, sagte Spicer. »Aber sie dürfen die Umschläge nicht öffnen.«
Argrow ging tief in Gedanken versunken auf und ab. Dann trat er, um sein Publikum zu beeindrucken, zwischen zwei Regale, so dass er vom Eingang zur Bibliothek nicht zu sehen war, klappte routiniert sein Mobiltelefon auf, gab eine Nummer ein und hielt sich den Apparat ans Ohr. »Ja, hier ist Wilson Argrow«, sagte er. »Ist Jack da? Gut. Sagen Sie ihm, es ist wichtig.«
»Wer zum Teufel ist Jack?« fragte Spicer, der am anderen Ende des Raums stand. Beech und Yarber hörten ebenfalls zu und hielten nach etwaigen Lauschern Ausschau.
»Mein Bruder in Boca«, sagte Argrow. »Er ist Rechtsanwalt, macht allerdings hauptsächlich Grundstücksgeschäfte. Er kommt mich morgen besuchen.« Dann sagte er in das Telefon: »Hallo, Jack, ich bin’s. Du kommst doch morgen? Gut. Kannst du am Vormittag kommen, so gegen zehn? Du müsstest einen Brief von mir mitnehmen. Gut. Wie geht’s Mom? Grüß sie von mir. Wir sehen uns dann morgen.«
Die Richter waren von der Aussicht, wieder unkontrolliert Briefe verschicken zu können, sehr angetan. Argrow hatte also einen Bruder, der Anwalt war. Und er besaß ein Telefon, war intelligent und hatte Mumm.
Er steckte den Apparat in die Tasche und trat zwischen den Regalen hervor. »Ich werde die Erklärung morgen früh meinem Bruder geben, und er faxt sie dann an die Bank. Übermorgen gegen Mittag ist das Geld in Panama, wo ihm nichts passieren kann, und bringt euch fünfzehn Prozent. War ganz einfach.«
»Wir können deinem Bruder doch trauen?« fragte Yarber.
»Absolut«, antwortete Argrow und machte ein Gesicht, als sei er beinahe gekränkt. Er ging zur Tür. »Wir sehen uns später. Ich brauche ein bisschen frische Luft.«
VIERUNDDREISSIG
Trevors Mutter traf aus Scranton ein, zusammen mit ihrer Schwester, Trevors Tante Heien. Sie waren beide über siebzig und in relativ guter gesundheitlicher Verfassung. Auf dem Weg vom Flughafen nach Neptune Beach verfuhren sie sich viermal und irrten dann eine Stunde lang kreuz und quer durch das Städtchen, bis sie durch Zufall Trevors Haus fanden, das seine Mutter vor sechs Jahren zum letzten Mal gesehen hatte. Trevor hatte sie seit zwei Jahren nicht gesehen. Heien hatte ihn seit zehn Jahren nicht mehr gesehen, ihn allerdings auch nicht sehr vermisst.
Seine Mutter parkte den Mietwagen hinter dem VW-Käfer und musste sich erst einmal ausweinen, bevor sie aussteigen konnte.
Was für eine Bruchbude, dachte Tante Heien.
Die Vordertür war unverschlossen. Das Haus war verlassen, doch lange bevor sein Besitzer verschwunden war, hatte sich in der Spüle das schmutzige Geschirr gestapelt. Der Mülleimer in der Küche war nicht geleert, und der Staubsauger war lange nicht benutzt worden.
Der Gestank trieb Heien als Erste ins Freie, und Trevors Mutter folgte ihr bald. Sie wussten nicht, was sie tun sollten. Sein Leichnam war noch in einer voll belegten Leichenhalle auf Jamaika, und laut dem unfreundlichen Mann im Außenministerium, mit dem Trevors Mutter gesprochen hatte, würde es 600 Dollar kosten, ihn nach Hause zu überführen. Die Fluggesellschaft war bereit, den Transport zu übernehmen, doch die nötigen Papiere waren noch in Kingston.
Nach einer halben Stunde durch üblen Verkehr hatten sie Trevors Kanzlei gefunden. Bis dahin hatte Chap bereits die Nachricht von ihrer bevorstehenden Ankunft erhalten. Er saß am Empfangstisch und bemühte sich, traurig und beschäftigt zugleich auszusehen. Wes, der Büroleiter, war in einem der hinteren Räume, um die Szene zu verfolgen. Als Trevors Tod bekannt geworden war, hatte das Telefon ununterbrochen geläutet, aber nachdem einige Kollegen und ein, zwei Mandanten ihre Betroffenheit zum Ausdruck gebracht hatten, war es wieder verstummt.
An der Vordertür hing ein billiger Kranz, bezahlt von der CIA. »Ist das nicht schön?« sagte Trevors Mutter, als sie auf die Tür zugingen.
Noch eine Bruchbude, dachte Tante Heien.
Chap begrüßte sie und stellte sich als Trevors Anwaltsgehilfe vor. Er sei dabei, die Kanzlei
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