Die Bruderschaft
neun. Wir treffen uns um zehn Uhr hier.«
Argrow ging hinaus. Die Richter saßen benommen da, tief in Gedanken versunken. Sie zählten bereits das Geld und fürchteten doch, es könnte etwas schief gehen. Argrow steuerte auf die Aschenbahn zu, doch als er dort einige Häftlinge sah, änderte er die Richtung und fand eine geschützte Stelle hinter der Cafeteria. Von dort aus rief er Klockner an.
Kaum eine Stunde später wurde Teddy unterrichtet.
SIEBENUNDDREISSIG
Um sechs Uhr morgens läutete die Weckglocke. Sie schrillte durch die Korridore der Zellentrakte, über die Rasenflächen, hallte von den Gebäuden wider und verklang in dem Wald, der das Gelände umgab. Es dauerte, wie die meisten Häftlinge wussten, genau 35 Sekunden, bis sie verstummte, und dann schlief niemand mehr. Sie riss die Männer aus dem Schlaf, als stünden bedeutende Ereignisse bevor und als müssten sie sich beeilen, um sie nicht zu versäumen. Dabei war das einzige bedeutende Ereignis, das bevorstand, das Frühstück.
Die Glocke ließ Beech, Yarber und Spicer hochschrecken, doch sie weckte sie nicht. Sie hatten - aus nahe liegenden Gründen - nicht geschlafen. Zwar waren sie in verschiedenen Trakten untergebracht, doch um 10 Minuten nach 6 trafen sie sich in der Schlange vor der Kaffeeausgabe. Wortlos gingen sie mit ihren großen Styroporbechern zum Basketballfeld, setzten sich auf eine Bank und tranken Kaffee. Ihre Blicke schweiften über das Gelände; die Aschenbahn lag in ihrem Rücken.
Wie lange würden sie noch die olivgrünen Hemden tragen, in der Sonne Floridas sitzen, ein paar Cents pro Stunde fürs Nichtstun bezahlt bekommen und nur warten, träumen und zahllose Becher Kaffee trinken? Noch einen Monat, noch zwei? Oder nur noch Tage? Die Ungewissheit raubte ihnen den Schlaf.
»Es gibt nur zwei Möglichkeiten«, sagte Beech. Er war der Bundesrichter, und sie hörten ihm aufmerksam zu, auch wenn diese Frage bereits oft erörtert worden war. »Die erste ist: Man wendet sich an das Gericht, das einen verurteilt hat, und stellt einen Antrag auf Straferlass. Unter ganz bestimmten Umständen kann der Richter einem Häftling die Reststrafe erlassen. Das geschieht allerdings nur sehr selten.«
»Hast du es je getan?« fragte Spicer.
»Nein.«
»Arschloch.«
»Unter welchen Umständen?« wollte Yarber wissen.
»Wenn der Häftling neue Aussagen über alte Verbrechen macht. Wenn er den Behörden hilft, neue, bedeutsame Erkenntnisse zu gewinnen, kann er ein paar Jahre Straferlass kriegen.«
»Nicht sehr ermutigend«, sagte Yarber.
»Und die zweite Möglichkeit?« fragte Spicer.
»Die zweite Möglichkeit ist, uns in ein Offenes Haus zu verlegen, in ein richtig nettes, wo man nicht erwartet, dass wir uns an die Regeln halten. Nur die Strafvollzugsbehörde ist berechtigt, Häftlinge in ein solches Haus zu verlegen. Wenn unsere neuen Freunde in Washington den richtigen Druck ausüben, könnte uns die Behörde verlegen und praktisch vergessen.«
»Kann man so ein Offenes Haus denn einfach verlassen?« fragte Spicer.
»Kommt darauf an. Die sind alle verschieden. Manche werden abends abgeschlossen und haben strenge Regeln. In anderen geht es sehr entspannt zu - man meldet sich einmal am Tag oder einmal pro Woche per Telefon. Die Entscheidung liegt bei der Strafvollzugsbehörde.«
»Aber wir sind immer noch verurteilte Verbrecher«, sagte Spicer.
»Das ist mir egal«, sagte Yarber. »Ich will sowieso nie mehr wählen.«
»Ich habe eine Idee«, sagte Beech. »Ist mir gestern Abend gekommen. Wir könnten doch die Bedingung stellen, dass Lake uns begnadigt, sobald er Präsident ist.«
»Daran hab ich auch schon gedacht«, bemerkte Spicer.
»Ich auch«, sagte Yarber. »Wen interessiert denn, ob wir vorbestraft sind? Das Einzige, was zählt, ist, dass wir rauskommen.«
»Es könnte nicht schaden, mal zu fragen«, sagte Beech. Sie schwiegen für ein paar Minuten und tranken ihren Kaffee.
»Argrow macht mich nervös«, sagte Yarber schließlich.
»Wie meinst du das?«
»Na ja, er taucht auf einmal hier auf und ist im Nu unser bester Freund. Er führt uns ein kleines Zauberkunststück vor und überweist unser Geld an eine sicherere Bank. Und jetzt ist er plötzlich der Verhandlungsführer für Aaron Lake. Vergesst nicht: Irgendjemand hat unsere Post gelesen. Und das war nicht Aaron Lake.«
»Mich stört er nicht«, sagte Spicer. »Lake musste jemanden finden, der mit uns redet. Er hat ein paar Verbindungen spielen lassen und sich
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