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Die Brücke am Kwai

Die Brücke am Kwai

Titel: Die Brücke am Kwai Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierre Boulle
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Verfahren auszudenken, um diesem stummen Widerstand ein Ende zu machen. Er ließ die Gefangenen leiden, wie dies nur ein so gut wie sich selbst überlassener rachsüchtiger Gefängniswärter tun kann, den überdies die Todesangst bedrängt, wegen Unfähigkeit strafversetzt zu werden. Diejenigen, die auf frischer Tat bei Böswilligkeiten oder Sabotage ertappt worden waren, wurden an Bäume gebunden, mit Dornruten geschlagen und dort blutüberströmt, nackt den Ameisen und der tropischen Sonne ausgesetzt, stundenlang stehen gelassen. Clipton sah einige von ihnen, die von ihren Kameraden fiebernd und mit aufgeschlagenem Rücken abends in sein Lazarett getragen wurden. Saito vergaß sie nicht. Sobald sie imstande waren, sich vorwärts zu schleppen, schickte er sie auf die Baustelle zurück und befahl den Wachposten, ein besonderes Auge auf sie zu haben.
    Die Ausdauer dieser Querköpfe erschütterte Clipton schließlich und ließ ihn manchmal in Tränen ausbrechen. Er war bestürzt, als er sah, wie sie dieser Behandlung Widerstand leisteten. Es fand sich immer einer, der, wenn er mit ihm allein war, die Kraft fand, sich wieder aufzurichten, und ihm mit Augenzwinkern in einer Sprache, die anfing, bei sämtlichen Gefangenen in Burma und Thailand Allgemeingut zu werden, zuflüsterte:
    »Die >Scheißbrücke< ist noch nicht gebaut worden, Doktor; die >Scheißeisenbahn< von diesem >Scheißmikado< hat diesen >Scheißfluß< in diesem >Scheißland< noch nicht überquert.
    Unser >Scheißoberst< hat ganz recht, und er weiß genau, was er tut. Wenn Sie ihn sehen, sagen Sie ihm, daß wir alle auf seiner Seite stehen und daß dieser >Scheißaffe< mit der >scheißenglischen< Armee noch nicht fertiggeworden ist.«
    Die rohesten Gewalttaten hatten zu keinem Ergebnis geführt. Die Mannschaften hatten sich an sie gewöhnt. Das von Oberst Nicholson gegebene Beispiel löste bei ihnen eine viel nachhaltigere Rauschwirkung aus, als es Bier und Whisky, die sie nicht bekamen, hätten tun können. Wenn einer von ihnen eine so harte Bestrafung erhalten hatte, daß er es nicht länger aushalten konnte, wenn er nicht unter den Repressalien sein Leben aufs Spiel setzen wollte, so fand sich immer ein anderer, der ihn ablöste. Das war zu einer feststehenden Regel geworden.
    Sie verdienten um so größeres Lob, dachte Clipton, als sie der scheißfreundlichen Scheinheiligkeit widerstanden, die Saito in Stunden der Entmutigung zeigte, in denen er mit Trauer zu der Erkenntnis kam, daß er das Reservoir gängiger Foltern erschöpft hatte und daß seine Phantasie sich sträubte, noch weitere zu erfinden.
    Eines Tages ließ er sie vor seinem Dienstzimmer antreten, nachdem er die Arbeit früher als gewöhnlich hatte einstellen lassen, um, wie er sagte, sie nicht zu überanstrengen.
    Er ließ ihnen Reiskuchen und Früchte, die bei den thailändischen Bauern eines benachbarten Dorfes gekauft waren, als Geschenk der japanischen Armee zuteilen, um sie anzuspornen, mit ihren Anstrengungen nicht nachzulassen.
    Er ließ seinen ganzen Stolz fahren und wälzte sich geradezu in plattester Anbiederung. Er rühmte sich, ein Mann des einfachen Volkes wie sie zu sein, der nichts anderes als seine Pflicht tun wolle, ohne Scherereien zu haben. Die Offiziere, so ließ er sie wissen, erhöhten durch ihre Weigerung zu arbeiten, das Arbeitssoll jedes einzelnen Mannes.
    Er verstehe ihren Groll und nehme ihnen das nicht übel.
    Er nehme ihnen das so wenig übel, daß er auf eigene Verantwortung hin, und um ihnen seine Sympathie zu bezeigen, dieses Arbeitssoll herabgesetzt habe. Der Ingenieur habe für die Herstellung des Bahndammes ein Arbeitssoll von anderthalb Kubikmeter Erde pro Mann festgesetzt; nun schön, er, Saito, habe bestimmt, dieses tägliche Soll auf einen Kubikmeter Erde herabzumindern. Er habe dies getan, weil er Mitleid mit ihren Leiden habe, für die er nicht verantwortlich sei. Er hoffte, daß sie angesichts dieser brüderlichen Geste guten Willen an den Tag legen würden, indem sie diese leichte Arbeit schnell beendeten, die schließlich dazu führen müsse, die Dauer dieses gottverdammten Krieges zu verkürzen.
    Am Schluß seiner Rede hatte er fast flehende Worte gefunden, doch die Bitten hatten keine größere Wirkung erzielt als die Foltern. Am nächsten Morgen wurde das Arbeitssoll eingehalten. Ein jeder Mann grub und transportierte genau seinen einen Kubikmeter Erde. Manche Leute sogar mehr; aber die Stelle, an die diese Erde geschafft wurde, war eine

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