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Die Brücke am Kwai

Die Brücke am Kwai

Titel: Die Brücke am Kwai Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierre Boulle
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seinen ganzen Körper hinaufkrochen, so daß er jedesmal ihren klebrigen Schleim spürte, wenn er sich mit der Hand über die Haut fuhr. Er hatte sein möglichstes getan, um seinen Ekel zu überwinden und sie zu vergessen. Es war ihm fast gelungen. Er hatte seine ganze Aufmerksamkeit gebraucht, um die Verbindung mit den Thailändern nicht zu verlieren.
    »Sie sind wohl nur mühsam vorwärts gekommen?« fragte Shears.
    »Ziemlich mühsam, Sir. Wie ich Ihnen bereits sagte, mußte ich die Hand auf die Schulter des einen Führers legen. Und diese sogenannten Pfade dieser guten Leute sind wahrhaftig sonderbar!«
    Drei Nächte hindurch hatten sie ihn Hügel hinauf klimmen und Schluchten hinabsteigen lassen. Sie folgten den felsigen Betten von Flüssen, die hier und da von Haufen verfaulter, eklig stinkender Pflanzenreste verstopft waren, über die er stolperte und sich jedesmal eine neue Ladung wimmelnder Blutegel zuzog. Seine Führer hatten eine Vorliebe für diese Wege, auf denen sie sicher waren, sich nicht zu verirren.
    Der Marsch dauerte bis zum Morgengrauen. Sowie es hell wurde, verdrückten sie sich in ein Dickicht und schlangen hastig den gekochten Reis und die gebratenen Fleischstücke herunter, die sie für die Reise mitgenommen hatten.
    Die beiden Thailänder kauerten sich gegen einen Baum und sogen Rauchwolken aus der knisternden Wasserpfeife, von der sie sich niemals trennten. Das war ihre Art, sich am Tage von der nächtlichen Ermüdung auszuruhen.
    Manchmal schlummerten sie zwischen zwei Zügen ein, ohne dabei ihre Stellung zu ändern.
    Joyce hingegen legte Wert darauf, zu schlafen, um seine Kräfte zu schonen, denn er wollte sämtliche Umstände, von denen der Erfolg dieses Auftrags abhing, günstig gestalten.
    Er fing damit an, daß er sich von den Blutegeln befreite, die seinen Körper bedeckten. Einige von ihnen hatten sich während des Marsches, nachdem sie vollgesogen waren, von selbst abgelöst und eine kleine, schwarze Blutkruste hinterlassen. Die andern, erst zur Hälfte gesättigten, stürzten sich blutgierig auf diese Beute, die die Zufälle des Krieges in den Dschungel von Thailand geführt hatten. Unter der Glut einer Zigarette zog sich der wurstartige Körper zusammen, fing an zu zucken, ließ schließlich seine Beute fahren und fiel auf den Boden, wo Joyce ihn zwischen zwei Steinen zerquetschte. Darauf legte er sich auf einem dünnen Stück Leinen zur Ruhe und schlief augenblicklich ein; doch die Ameisen ließen ihn nicht lange in Frieden.
    Angelockt von den geronnenen Blutstropfen, die seine Haut schmückten, suchten sie sich diesen Augenblick aus, um in Legionen, eine hinter der andern, schwarze und rote, heranzurücken. Er lernte bald, sie bei der ersten Berührung, noch ehe er ganz bei Bewußtsein war, auseinanderzuhalten.
    Bei den roten gab es keine Hoffnung. Wenn sie in seine Narben bissen, so war es, als werde er von bis zur Weißglut erhitzten Zangen gezwickt. Eine einzige war schon unerträglich, doch sie rückten in Bataillonen an. Er mußte seinen Platz räumen und sich eine andere Stelle suchen, wo er sich ausruhen konnte, bis sie ihn wieder ausfindig gemacht und von neuem angegriffen hatten. Die schwarzen, und unter ihnen vor allem die dicken schwarzen, waren erträglicher. Sie bissen nicht, und ihre Berührung weckte ihn nur dann auf, wenn seine Wunden ganz von ihnen bedeckt wurden.
    Es gelang ihm indessen immer, ausreichend zu schlafen; jedenfalls genug, um, sobald es Abend geworden war, imstande zu sein, Gipfel zu erklimmen, die zehnmal höher und hundertmal abschüssiger als die Berge in Thailand waren.
    Für ihn war es wie ein Rausch, das Gefühl zu haben, bei dieser Erkundung, die eine erste Etappe für die Verwirklichung des großen Schlages darstellte, sich selber überlassen zu sein. Von seinem Willen, seinem Urteil und seinen Handlungen während dieses Unternehmens hing, daran zweifelte er nicht, der schließliche Erfolg ab, und diese sichere Überzeugung gewährte ihm unerschöpfliche Kraftreserven. Sein Blick wich nicht mehr von der Brücke, wie er sie sich vorstellte, von diesem Hirngespinst, das sich für immer in der Welt seiner Träume festgesetzt hatte. Und sooft er sie nur ansah, wurde auch die belangloseste Bewegung, die er machte, von der geheimnisvollen, unbegrenzten Kraft eines ruhmvollen Strebens nach dem Siege durchströmt.
     
    Die wirkliche Brücke, die Brücke über den Kwai-Fluß, hatte sich plötzlich seinem Blick dargeboten, als sie nach einem

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