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Die Brücke am Kwai

Die Brücke am Kwai

Titel: Die Brücke am Kwai Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierre Boulle
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letzten, noch zermürbenderen Aufstieg den Gipfel eines Berges erreichten, der das Tal beherrschte. Sie hatten ihren Marsch länger als in den vorangegangenen Nächten ausgedehnt, und die Sonne war bereits aufgegangen, als sie auf diesem von den Thailändern bereits beschriebenen Beobachtungspunkt angekommen waren. Er erblickte einige Hundert Meter unter sich die Brücke, so wie er sie von einem Flugzeug aus gesehen haben würde. Sie war wie ein helles Band zwischen zwei riesigen Waldungen über das Wasser gespannt, und zur Rechten sah er sie gerade so weit, daß er den mathematisch genau ausgerichteten Aufbau der Pfeiler erkennen konnte, die den Brückenbelag trugen.
    Lange bemerkte er sonst nichts in dem Bilde, das sich zu seinen Füßen ausdehnte, weder das ihm gegenüber auf dem andern Ufer gelegene Lager noch die Arbeitstrupps der Gefangenen, die sich rings um ihr Werk geschäftig tummelten. Der Beobachtungspunkt war ideal, und er fühlte sich dort völlig sicher. Die japanischen Spähtrupps würden sich nicht in das Walddickicht wagen, das ihn von dem Fluß trennte.
    »Ich habe sie gesehen, wie ich Sie sehe, Sir. Die Thailänder hatten nicht übertrieben. Sie hat beachtliche Ausmaße. Sie ist gut gebaut. Nichts an ihr erinnert an die andern japanischen Brücken. Hier sehen Sie mehrere Zeichnungen; aber ich habe noch mehr getan…«
    Er hatte sie auf den ersten Blick wiedererkannt. Seine Fassungslosigkeit vor dieser Materialisation des Hirngespinstes kam nicht aus der Überraschung, sondern hatte ihre Ursache gerade darin, daß ihm ihr Anblick so vertraut war. Die Brücke war genau die gleiche, die er sich erbaut hatte. Anfangs voller Unruhe, dann mit wachsendem Zutrauen überzeugte er sich davon. Auch die ganze Umgebung entsprach dem synthetischen Bild, das seine Phantasie und sein Verlangen geduldig geschaffen hatten. Nur einige Punkte wichen davon ab. Das Wasser war nicht so hell leuchtend, wie er es gesehen hatte. Es war schmutzig. Darüber empfand er zuerst einen aufrichtigen Ärger, doch beruhigte er sich wieder bei dem Gedanken, daß diese Unvollkommenheit dem geplanten Vorhaben dienlich war.
    Zwei Tage lang hatte er, ohne gesehen zu werden, in dem Buschwerk gekauert und gierig mit dem Fernglas den Schauplatz beobachtet und untersucht, auf dem der große Schlag geführt werden sollte. Er hatte sich die Anlage des Ganzen und alle Einzelheiten fest eingeprägt, sich Notizen gemacht, auf einer Skizze die Pfade, das Lager, die japanischen Baracken, die Flußbiegungen und sogar die breiten Felsen, die an manchen Stellen hervorragten, gekennzeichnet.
    »Die Strömung ist nicht sehr heftig, Sir. Der Fluß läßt sich mit einem kleinen Kahn oder von einem guten Schwimmer leicht überqueren. Das Wasser ist schmutzig… Die Brücke hat eine Fahrbahn für Fahrzeuge… und vier Reihen von Pfeilern. Ich habe gesehen, wie die Gefangenen diese mit einem Rammblock eingerammt haben. Die englischen Gefangenen… Sie haben das linke Ufer, also das, auf dem der Beobachtungspunkt liegt, fast erreicht, Sir. Weitere Arbeitstrupps rücken hinter ihnen vor. Die Bracke wird vielleicht in einem Monat fertig sein… Der Oberbau…«
    Er verfügte jetzt über eine solche Menge von Nachrichten, die er übermitteln mußte, daß er es nicht fertigbrachte, in seinem Bericht eine Reihenfolge einzuhalten. Shears ließ ihn gewähren, ohne ihn zu unterbrechen. Wenn er einmal geendet hatte, würde immer noch Zeit genug bleiben, genaue Fragen zu stellen.
    »Der Oberbau ist ein geometrisches Netz von Querbalken, das nach einem ausgezeichnet durchdachten Plan angelegt zu sein scheint. Die Pfeiler sind sauber vierkantig zugeschnitten und glatt gehobelt. Ich habe die einzelnen Stellen des Fugenwerks mit dem Fernglas genau gesehen . Es handelt sich um eine außerordentlich sorgfältig ausgeführte Arbeit, Sir – und eine solide noch dazu, worüber wir uns keinen Täuschungen hingeben dürfen. Hier geht es nicht nur darum, ein paar Holzstücke zu sprengen. Ich habe an Ort und Stelle über das sicherste und gleichzeitig einfachste Mittel nachgedacht, Sir. Ich glaube, wir müssen die Pfeiler im Wasser, ja unter dem Wasser angreifen. Das Wasser ist schmutzig. Die Sprengladungen werden unsichtbar bleiben. Auf diese Weise wird der ganze Laden auf einen Schlag zusammenstürzen.«
    »Vier Reihen Pfeiler«, unterbrach Shears nachdenklich, »das ist ein Haufen Arbeit. Zum Teufel noch mal, hätten sie ihre Brücke nicht so bauen können, wie sie sie sonst

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