Die Brücke am Kwai
bis ins kleinste ausarbeiteten und sich fieberhaft bemühten, sämtliche Zwischenfälle zu erraten, die sich im letzten Moment ereignen konnten. Dann entfernte sich Warden, um an einem im Nebenraum untergebrachten Funkgerät die Nachrichten abzuhören. Joyce zögerte einen Augenblick.
»Sir«, sagte er schließlich, »von uns dreien bin ich der beste Schwimmer, und ich kenne jetzt das Gelände…«
»Das werden wir später sehen«, schnitt ihm »Number One« das Wort ab.
Joyce war am Ende seiner Kräfte, Shears nahm dies wahr, als er ihn auf sein Bett zuwanken sah. Nachdem er den dritten Tag damit verbracht hatte, platt in dem Buschwerk auf dem Bauch liegend seine Beobachtungen zu machen, war er in der Nacht zum Rückmarsch aufgebrochen und in einem Dauermarsch zu dem Quartier zurückgekommen, wobei er kaum Rast gemacht hatte, um zu essen. Selbst die Thailänder hatten nur mühsam das Tempo einhalten können, das er ihnen zugemutet hatte. Sie waren im Augenblick dabei, voller Bewunderung davon zu berichten, wie es dem jungen Weißen gelungen sei, sie schachmatt zu setzen.
»Sie müssen sich ausruhen«, wiederholte »Number One«. »Es hat keinen Sinn, daß Sie sich vorher umbringen. Wir werden noch alle Ihre Kräfte brauchen. Warum sind Sie eigentlich so schnell zurückgekommen?«
»Die Brücke wird wahrscheinlich in nicht ganz einem Monat fertig sein, Sir.«
Joyce schlief schlagartig ein, ohne sich vorher von der ihn unkenntlich machenden Schminke gesäubert zu haben.
Shears zuckte mit den Schultern und machte keinen Versuch, ihn zu wecken. Er blieb allein und dachte angestrengt über die Verteilung der Rollen bei dem Schauspiel nach, das in dem Tal des Kwai-Flusses aufgeführt werden sollte.
Er hatte noch keine Entscheidung getroffen, als Warden zurückkam und ihm mehrere soeben dechiffrierte Meldungen überreichte.
»Der bewußte Zeitpunkt scheint näher zu kommen, Shears. Meldungen vom Hauptquartier besagen, daß die Brücke beinahe fertiggestellt ist. Die Einweihung soll in fünf oder sechs Wochen stattfinden. Der erste Zug wird mit Soldaten und Generälen gestopft voll sein. Es wird ein kleines Fest geben . Auch ein Transport mit einem anständigen Haufen Munition wird dabeisein. Das sieht gar nicht so schlecht aus. Das Hauptquartier ist mit allen Ihren Schritten einverstanden und läßt Ihnen völlig freie Hand. Die Luftwaffe wird nicht eingreifen.
Man wird uns täglich auf dem laufenden halten. Schläft der Kleine?«
»Wecken Sie ihn nicht. Er verdient etwas Ruhe. Er hat sich wacker durchgeschlagen. Warden, sagen Sie mir, meinen Sie, daß man auf ihn in jeder Lage rechnen kann?«
Warden dachte nach, ehe er antwortete.
»Er macht einen guten Eindruck. Aber vorher kann man nie etwas Genaues sagen, das wissen Sie genauso gut wie ich. Ich verstehe gut, was Sie sagen wollen. Es handelt sich darum, ob er imstande sein wird, in wenigen Sekunden – ja selbst in noch kürzerer Zeit – eine folgenschwere Entscheidung zu treffen und sich zu zwingen, sie auszuführen. Warum fragen Sie mich danach?«
»Er hat gesagt: ich bin der beste Schwimmer von uns dreien. Und damit hat er nicht angegeben. Das stimmt.«
»Als ich bei der Force 316 eingetreten bin«, knurrte Warden, »da habe ich nicht gewußt, daß man Meister im Wettschwimmen sein muß, wenn man die erste Geige dabei spielen will. Während des nächsten Urlaubs werde ich darauf trainieren.«
»Es spricht da auch ein psychologisches Moment mit. Wenn ich ihn nicht heranlasse, dann wird er kein Zutrauen mehr zu sich haben und für lange Zeit zu gar nichts nütze sein.
Vorher ist man niemals sicher, wie Sie sagen… selbst er nicht… und er verzehrt sich in der Erwartung des Augenblicks, in dem es sich zeigen wird. Die Hauptfrage ist selbstverständlich, ob er genau die gleichen Erfolgschancen hat wie wir. Ich glaube es… Und ich glaube auch, daß er mehr Aussicht hat, davonzukommen. Wir werden in einigen Tagen darüber entscheiden. Ich will sehen, wie er sich morgen macht. Man darf mit ihm eine bestimmte Zeit lang nicht mehr über die Brücke reden . Ich habe es nicht so gern, daß er so in Mitleid über das Unglück der Gefangenen zerfließt… Jaja, Sie werden mir darauf erwidern… ich weiß genau. Das Gefühl ist eine Sache, und die Tat ist eine andere. Er neigt indessen dazu, sich die Dinge ein wenig in den Kopf steigen zu lassen… alles in seiner Einbildung zu betrachten. Verstehen Sie mich? Er denkt etwas zuviel nach.«
»Es lassen sich
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