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Die Brücke am Kwai

Die Brücke am Kwai

Titel: Die Brücke am Kwai Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierre Boulle
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Schicksal der Brücke in seinen kräftigen Händen hielt.
    Er wußte dies auch. Er empfand darüber den berechtigten Stolz eines Chefs, der die Verantwortung liebt und sucht, aber auch im gleichen Maße das gesamte Gewicht der mit dieser Ehre und mit dieser Aufgabe verbundenen Sorgen trägt.
    Die wachsende Zahl der Kranken bildete eine seiner Hauptsorgen. Er sah seine Kompanien buchstäblich unter seinen Augen zusammenschmelzen. Langsam sonderte sich Tag für Tag und Stunde um Stunde ein wenig von der Lebenssubstanz eines jeden Gefangenen ab und verließ seinen Organismus, um sich in dem All der Materie aufzulösen.
    Dieses Universum, das aus Erde, ungeheuerlicher Vegetation, Wasser und feuchter, von Moskitos bevölkerter Luft bestand, zeigte sich nicht spürbar berührt von dieser Bereicherung. Vom rechnerischen Standpunkt aus gesehen, handelte es sich hier um einen unerbittlich strengen Austausch von Molekülen, nur daß der schmerzhaft spürbare Verlust dieser Moleküle, der sich fünfhundertmal auf einige zehn Kilo belief, sich in keinen sichtbaren Gewinn umsetzte.
    Clipton graute es beim Gedanken an eine ernsthafte Epidemie wie die Cholera, die aus anderen Lagern gemeldet worden war. Diese Gottesgeißel war ihnen bisher dank einer unerbittlich strengen Disziplin erspart geblieben, doch die Fälle von Malaria, Ruhr und Beri-Beri ließen sich nicht mehr zählen. Tagtäglich hielt er es für unumgänglich, eine immer größere Anzahl von Männern für arbeitsunfähig zu erklären und ihnen Bettruhe zu verordnen. Im Lazarett gelang es ihm, denjenigen, die noch essen konnten, dank einiger Rote-Kreuz-Sendungen, die der Plünderung von japanischer Seite entgangen und für die Kranken reserviert waren, eine annähernd ausreichende Lebensmittelration auszuteilen. Über all dieses hinaus bedeutete es für gewisse Gefangene schon eine heilende Linderung, wenn sie nicht arbeiten mußten, weil die Arbeit am Rammblock, durch die zuerst ihre Muskelkraft zerrüttet worden war, schließlich ihr Nervensystem durcheinandergebracht und bei ihnen Halluzinationen ausgelöst hatte, so daß sie in einem ständigen Angsttraum lebten.
    Oberst Nicholson, der seine Leute liebte, hatte anfangs das ganze Gewicht seiner eigenen Autorität Clipton zukommen lassen, damit er diese von ihm verordnete Bettruhe in den Augen der Japaner rechtfertigen konnte. Er hatte bereits im voraus die vielleicht möglichen Proteste Saitos damit im Keime erstickt, daß er von den arbeitsfähigen Männern eine zusätzliche Arbeitsleistung verlangte.
    Doch er fand bereits seit langem, daß Clipton die Sache übertreibe. Er hatte ihn im Verdacht, daß er seine Rechte als Arzt überschritt und sich aus Schwäche so weit gehenließ, daß er Gefangene krank schrieb, die noch arbeitsfähig waren. Ein Monat vor der Vollendung der Arbeiten war gewiß nicht der richtige Augenblick, schlappzumachen.
    Er war an diesem Vormittag ins Lazarett gekommen, um selber nach den Dingen zu sehen, sich mit Clipton gründlich auszusprechen und notwendigenfalls mit Nachdruck, aber auch mit dem Takt, den man trotz alledem bei einem so heiklen Thema gegenüber einem Fachmann in Offiziersrang zu wahren hatte, den Arzt wieder auf den richtigen Weg zu bringen.
     
    »Sehen wir uns zum Beispiel mal den da an«, sagte er und blieb stehen. Er wandte sich an einen Kranken: »Na, mein Junge, woran fehlt’s denn?«
    Er ging zwischen zwei Reihen von Gefangenen hindurch, die auf Bambusbetten lagen und zum Teil vor Fieber mit den Zähnen klapperten oder kraftlos unter jämmerlichen Decken dalagen, aus denen leichenähnliche Gesichter hervorschauten. Clipton mischte sich mit ziemlich schneidendem Tonfall lebhaft ein.
    »Vierzig Grad Fieber heute nacht, Sir. Malaria.«
    »Schon gut, schon gut«, sagte der Oberst und setzte seinen Marsch fort. »Und der dort drüben?«
    »Tropische Geschwüre. Ich habe ihm gestern das Bein ausgeschabt… und zwar mit einem Messer; ein anderes Instrument habe ich nicht. Das Loch, das ich gemacht habe, ist groß genug, um einen Golfball aufzunehmen, Sir.«
    »Das also war es; ich habe gestern abend Schreie gehört«, murmelte der Oberst.
    »Ja, das war es. Vier von seinen Kameraden mußten ihn halten. Ich hoffe das Bein zu retten… aber sicher bin ich nicht«, setzte er mit leiser Stimme hinzu. »Möchten Sie tatsächlich, daß ich ihn hinaus auf die Brücke schicke, Sir?«
    »Nun reden Sie doch kein dummes Zeug, Clipton. Natürlich bestehe ich nicht darauf. In dem

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